Hamburg. Die-Ärzte-Schlagzeuger Bela B über Fußball, Alkohol, das anstehende Konzert auf der Trabrennbahn und eine Nordseeinsel.

Vor 40 Jahren wurde in Berlin „Die beste Band der Welt gegründet“: Die Ärzte. Sie waren damals wie heute anders als andere Punkbands – auch wenn viele Die Ärzte nie für Punk hielten. Aber Farin Urlaub, Bela B und dem 1993 eingestiegenen Rod Gonzales ist das herzlich egal; sie machen immer nur das, worauf sie Lust haben.

Kürzlich standen sie beim Düsseldorfer Jubiläumskonzert der im selben Jahr gegründeten Toten Hosen auf der Bühne, und am 24. August geht es für BelaFarinRod zum Open-Air-Auftritt auf die Trabrennbahn in Bahrenfeld.

Hamburger Abendblatt: Kürzlich haben wir den Sänger der „zweitbesten Band der Welt“, die dieses Jahr ebenfalls 40. Geburtstag feiert, gefragt, wann er das letzte Mal standesgemäß punkrockig ein Dosenbier getrunken hat. Wie sieht es denn da bei Ihnen aus?

Bela B: Ich ahne schon, Campino. Campino und ich kommen noch aus der Karlsquell-Generation, das war mal das Billig-Dosenbier von Aldi. Das war seinerzeit tatsächlich die Mutterbrust des Punkrock. Aber heute trinke ich Bier nur zum Durstlöschen und auch nur eins oder zwei. Eine Ausnahme ist es, wenn es ins Stadion geht.

„Hell“ und „Dunkel“ heißen die beiden in der Pandemie veröffentlichten Alben der Ärzte. Licht und Schatten begleiten Sie offensichtlich auch weiterhin. Die Tour quer durch Berlin mit 16 Konzerten von kleinen Clubs bis zum Flughafen Tempelhof musste nach den ersten Auftritten krankheitsbedingt unterbrochen werden. Schmerzt so eine harte Bremsung nach Vollgas?

Bela B: Die ersten sechs Konzerte und schon die Proben davor waren der absolute Hammer. Ich kann mich nicht erinnern, ob wir vorher jemals freiwillig über Hundert Songs geprobt haben – die wir nicht alle in einem Set spielen, den Zahn kann ich schon mal den Fans ziehen. Aber wir verteilen die Songs auf verschiedene Setlisten, dann bleibt es für alle spannend. Wir waren tatsächlich in voller Fahrt, als uns Corona noch mal da reingehagelt ist. Aber – Glück im Unglück – wir können die drei ausgefallenen Shows nachholen.

Können Sie bitte auch mal so eine Tour in Hamburg machen, von Astra Stube und Molotow über Fabrik und Markthalle bis Stadtpark und Trabrennbahn?

Bela B: Na, ja. Gut. Berlin ist nun mal die Entstehungsstadt der Band und von zwei Dritteln der Beteiligten auch weiterhin die Heimat. Als Wahlhamburger bin ich da in der Minderheit. Aber wir werden mit Sicherheit auch irgendwann wieder Clubkonzerte in Hamburg spielen, wir müssen uns nur einen Rahmen dafür ausdenken, aber uns fällt schon was ein.

Der Volkspark ist ja auch ganz schön für Open-Air-Konzerte, wäre da nicht dieses Stadion im Hintergrund… Wäre das komisch für Sie als Sankt Paulianer?

Bela B: Da spielte allerdings die von Ihnen so titulierte zweitbeste Band der Welt, wir spielen wohlgemerkt auf der Trabrennbahn. Aber wenn es gerade keine Derbys gibt, komme ich auch bestens klar mit meinen zahlreichen HSV-Freunden. Ich bin ja kein HSV-Hasser und ich habe nach der Niederlage in der Relegation gegen Berlin auch nicht gefeiert. Aber ein bisschen Häme hie und da muss schon sein. Musste ich mir auch oft genug anhören.

Im Song „Schwarz/weiß“ auf Ihrem Soloalbum „Code B“ heißt es: „Die Weiß-Blauen sind nicht die Braun-Weißen“. Von den Ärzten hingegen gibt es kein richtiges Fußball-Lied, nur einen Song über den Afro von Paul Breitner. Ist das Thema sogar für Die Ärzte zu blöd?

Bela B: Das ist ja auch nur eine Zeile in einem Song über Gegensätze. Zwei Drittel der Band interessiert das Thema einfach nicht, und ich gehöre jetzt auch nicht zu denen, die den Sport als solches total feiern. Ich hab mal mit Fettes Brot „Fußball ist immer noch wichtig“ aufgenommen, aber für Die Ärzte zählt eher die Liedzeile von unserem letzten Album: „Demokratie ist kein Fußballspiel, bei dem du nur Zuschauer bist“. Wir wollten ja auch nie über Alkohol singen, bis der Nichttrinker und Asket Farin Urlaub „Saufen“ schrieb – als Parodie auf die zweitbeste Band der Welt. Und „Einmal ein Bier“ von mir hat es auch irgendwie durch die Textpolizei-Kontrolle geschafft. Aber das ist ja auch kein wirkliches Sauflied.

Eine Ihrer frühen Aufnahmen vor 40 Jahren hieß ja sehr richtungsweisend „Vollmilch“.

Bela B: Das war eins der drei Lieder, die wir aufgenommen haben für den Punk-Sampler „Ein Vollrausch in Stereo – 20 schäumende Stimmungshits“. Da waren wir im Studio mit Bands wie der Deutschen Trinkerjugend, Frau Suurbier, auch Campino und Kuddel als Tangobrüder mit unserem damaligen Bassisten Sahnie. Und jeder Text handelte von Alkohol, von „Bier“, „Frühstückskorn“ und sowas. Aber Die Ärzte haben lieber über Nahrungsmittel gesungen: „Zitroneneis“, „Zum Bäcker“ und „Vollmilch“.

Vor bald 30 Jahren erschien Das Album „Die Bestie in Menschengestalt“ …

Bela B: … mir wächst gleich eine Gehhilfe…

… und vor allem zwei Songs sind heute aktueller denn je: „Schrei nach Liebe“ und „Friedenspanzer“. Klar, Ärzte-Songs sind mit wenigen Ausnahmen immer zeitlos, aber wäre es nicht schön, wenn diese Lieder nicht mehr gebraucht werden würden?

Bela B: „Schrei nach Liebe“ ist unser wichtigster Song, und wir sind froh dass wir den jetzt wieder live spielen können, auch wenn uns die Die Toten Hosen da gut vertreten haben. Ich finde es gut, dass Musik immer noch wichtig genug ist, dass Leute dadurch inspiriert werden, sich stark zu machen für das Gute und in diesem Fall eben gegen Nazis. Klar, ich wäre froh, wenn es all diese Missstände von Fremdenhass bis zum Krieg in der Ukraine nicht geben würde. Dann wären solche Songs überflüssig, mit dem Verlust könnte man leben.

Auch wieder aktuell ist – Stichwort 9-Euro-Ticket – das Lied „Westerland“. Waren Sie eigentlich jemals auf Sylt?

Bela B: Ähm. Wir haben da 1987 bei unserem ersten Besuch ein legendäres Abschiedskonzert gegeben …

Oh, da war ja was.

Bela B: Da muss ich Sie jetzt aber schelten. Wir haben aber später auch noch mal da gespielt. Ich war auch zwei, drei Mal im Winter da. Das Naturschutzgebiet ist wirklich schön. Man kann sagen, ich habe meinen Frieden mit Sylt gemacht.

Sie haben einen guten Ruf in schlechten Filmkreisen. Wissen Sie, was aus Pornostar Teresa Orlowski geworden ist, die 1988 im damals skandalösen Ärzte-Video „Bitte bitte“ mitspielte? Ihre Spur verliert sich so vor 15 Jahren in Marbella.

Bela B: Darüber habe ich neulich auch schon nachgedacht. Ihr Produzent und Ehemann hatte sich kurz nach dem Video von ihr getrennt und mit Sarah Young ein neues Imperium aufgebaut. Ich hoffe, Teresa war schlau genug, sich etwas an die Seite zu legen, um mit einer neuen Liebe ihr Leben zu genießen.

So wie Freddy Quinn, der ja auch aus der Öffentlichkeit verschwunden ist.

Bela B: Das wäre doch mal Anlass für eine viel schönere Verschwörungstheorie als die, von denen man sonst so liest.

Die Ärzte Mi 24.8., 19 Uhr, Trabrennbahn Bahrenfeld, Karten zu 75,75 im Vorverkauf