Hamburg. Benedict Cumberbatch hat sich als Schauspieler auf Sonderlinge spezialisiert – weshalb er für seine neue Rolle perfekt ist.
Das Leben des Louis Wain wirkt in seiner Mischung aus Verschrobenheit und kreativer Brillanz fast, als wäre es eigens für Benedict Cumberbatch geführt worden. Der britische Schauspieler ist auf die Sonderlinge und Unangepassten abonniert, ob nun in der „Sherlock“-Serie oder zuletzt in „The Power of the Dog“ – und da liegt der Gedanke schon recht nahe, ihn auch als den berühmtesten Katzenkünstler des viktorianischen Zeitalters zu besetzen.
Wobei das vielleicht eine etwas eindimensionale Beschreibung des hierzulande kaum bekannten Louis Wain darstellt. 1860 geboren im Londoner Stadtteil Clerkenwell, studierte er zwischen 1887 und 1880 an der West London School of Art. Im Jahr 1880 starb auch der Vater, woraufhin Louis für seine Mutter und seine fünf jüngeren Schwestern sorgen musste. Es waren seine Comics, in späteren Jahren vor allem seine detailfreudigen, heute etwas bieder und kitschig erscheinenden Zeichnungen vermenschlichter Katzen, die ihm nach und nach sein Auskommen sicherten.
„Die wundersame Welt des Louis Wain“: Eine Ode ans Skurrile
Wain heiratete mit 23 Jahren die Gouvernante seiner Schwestern, eine zehn Jahre ältere Frau, was gesellschaftlich seinerzeit schon allein wegen des sozialen Gefälles als skandalös galt. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, seine Frau war bereits an Brustkrebs verstorben, begann er eine Schizophrenie zu entwickeln, die sich auch in seiner Kunst niederschlug: Die Katzenbilder entwickelten eine wilde, zackige und wie von Starkstrom durchflossene Ornamentik – was wiederum kein Zufall war, denn Wain hatte zeit seines Lebens an die übernatürliche Kraft der Elektrizität geglaubt, die er in jedem Gegenstand, in jedem Lebewesen, im ganzen Universum als entscheidende Energie am Werke sah.
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Im Original heißt Will Sharpes interessanter Film denn auch „The Electrical Life of Louis Wain“ – wobei der in der deutschen Übersetzung vorhandene Anklang an Jean-Pierre Jeunets „Fabelhafte Welt der Amelie“ (2001) sein ästhetisches Programm auch ganz gut einfängt. Denn „Die wundersame Welt des Louis Wain“ ist eine bis ins Setdesign durchkomponierte Ode ans Skurrile, Bunte und Schräge im Leben, das Sharpe umso stärker betonen kann, als es sich vom dreckigen Alltag im viktorianischen London in herrlich leuchtenden Farben abhebt.
Sehenswert, nicht nur für Katzenliebhaber
Dabei bedient sich der Film einer nach heutigen Maßstäben fast konventionellen Dramaturgie – er folgt, wie viele Biopics älterer Bauart, der Biografie seines Helden von jungen Jahren bis zu ihrem Ende. Weil ein Menschenleben nicht zu jedem Zeitpunkt gleich spannend verläuft, nimmt Sharpe hier auch einige Längen in Kauf, die sich vor allem zum Ende hin bemerkbar machen.
Er findet aber in der Beziehung zwischen Emily (Claire Foy) und Wain auch eine der zartesten Liebesgeschichten, die man im Kino seit langer Zeit sehen konnte. Das beginnt mit dem anrührend ungeschickten Werben des jungen Mannes um die deshalb etwas fassungslose Emily, führt über die stille Würde, mit der beide die Anfeindungen ihres Umfelds ertragen – und endet im Postkartenidyll glücklicher, gleichwohl befristeter Zweisamkeit. Sehenswert, nicht nur für Katzenliebhaber.
„Die wundersame Welt des Louis Wain“, 111 min., im Passage und im Elbe Kino