Hamburg. Die Story mag etwas bekannt vorkommen – aber was Sandra Bullock, Channing Tatum und Daniel Radcliffe daraus machen, ist großartig.
Alfred Hitchcock soll den Klassiker „Über den Dächern von Nizza“ ja nur gedreht haben, um Grace Kelly in einem goldenen Rokoko-Kleid glänzen zu lassen. Aber wer würde einen Film drehen, nur um Sandra Bullock in einem knalllila Pailletten-Jumpsuit durch den Dschungel irren zu lassen? Klare Antwort: Das tut nur Sandra Bullock selbst.
„The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ ist eine dieser typischen Bullock-Komödien, die ganz auf den Star zugeschrieben sind und in dem die mittlerweile 57-Jährige sich mit bewundernswerter Selbstironie ständig selbst auf die Schippe nimmt und in peinlichste Szenen manövriert.
„The Lost City“– Sandra Bullock stiehlt allen die Show
Köstlich allein, wie sie als Autorin von Liebesschmonzetten bei der Vorstellung ihres neuen Buchs in ihrem Strampelanzug auf einen Barhocker klettern muss und sich da kaum halten kann.
Absurd, wie sie auf eine einsame Insel entführt wird und bei der Befreiung keine Zeit bleibt, sie von dem Stuhl, an den sie gefesselt ist, loszumachen. Also wird sie samt Stuhl in einen Schubkarren gewuchtet. Später muss sie noch auf Stilettos durch den Urwald staksen. Ja, eine Frau hat’s nicht leicht im Männerfach Action-Kino. Und doch stiehlt Bullock allen die Schau, weil sie sich so gekonnt selbst demontiert.
Erinnert an „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“
Da schaut man großzügig darüber hinweg, dass „The Lost City“ nicht von ungefähr an „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ erinnert, die fast 40 Jahre alte Actionkomödie, in der Kathleen Turner ebenfalls als Bestsellerautorin in die exotischen Kulissen einer ihrer Schundromane gezwungen und mit einem von Michael Douglas gespielten Abenteurer durch den Dschungel gejagt wird. „The Lost City“ aber ist ganz auf der Höhe der Zeit. Denn hier gehen die Pointen, auch wenn Sandra Bullock alles daran setzt, nicht nur auf Kosten der Frau, während ein gestandenes Mannsbild sie ständig aus brenzligen Situationen befreit. Nein, auch der männliche Ko-Star Channing Tatum wird hier zur Gagdauerzielscheibe.
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Daniel Radcliffe wird zum Entführer
Denn so wenig die Autorin Loretta (Bullock) mit der kühnen Heldin ihrer Bücher gemein hat, so wenig ist auch Alan (Tatum) der Held, den er auf dem Cover all ihrer Bücher darstellt. Er ist nur ein Muskel-Model mit peinlicher Perücke, ziemlich ungebildet obendrein, weil er die Zitate und Metaphern, in denen die Autorin spricht, nie versteht. Dennoch müssen die beiden Lesungen gemeinsam bestreiten, auch wenn die Leserinnen immer nur Autogramme von dem Cover-Boy haben wollen.
Das gibt Krach. Doch dann wird Loretta vor Alans Augen entführt: von einem durchgeknallten Milliardär (Ex-Harry-Potter Daniel Radcliffe), der glaubt, sie habe in ihrem Roman von einem Schatz geschrieben, den es wirklich gibt. Einmal will auch der wahre Alan seiner Heldin beistehen. Er reist ihr in den Dschungel nach. Und kann sie auch befreien. Gemeinsam aber werden sie nun von ihren Verfolgern durch den Urwald gehetzt. Wobei sich die beiden dauernd kabbeln. Und der Glitzeranzug immerzu Pailletten verliert, die eine klare Fährte liefern.
„Lost City“: Einen großen Gastauftritt gibt es auch noch
Zwei, die sich ständig in den Haaren liegen und doch füreinander bestimmt sind: Das ist keineswegs neu, die beiden Stars aber ziehen sich so konsequent durch den Kakao, dass man der Komödie gern folgt. Und dann gibt es noch einen großen Gastauftritt von Brad Pitt als der klassische Held solcher Abenteuerfilme, der aber nach wenigen Szenen komplett ausfällt.
Immer wieder bricht der Film alle Klischees und Erwartungshaltungen. Das ist der eigentliche Reiz dieses bunt-exotischen Abenteuerspaßes. Auch wenn die Regiebrüder Aaron und Adam Nee, die ungefähr so alt sind wie „Jagd auf den grünen Diamanten“, ruhig noch etwas mehr Fettnäpfchen hätten auslegen können. Dass ihre Stars beherzt in sie reintreten, stellen sie ja permanent unter Beweis.
„Lost City“, 112 min., läuft in den Cinemaxx- und den UCI-Kinos