Altenkrempe. Auf Initiative von Ex-Ohnsorg-Star Sandra Keck hat auf Gut Hasselburg Deutschlands erstes Hörspielmuseum eröffnet – Aufnahmen möglich.

Viele Wege - nicht nur zu Ostern - führen an die Ostsee. Ein etwas anderer führt nach Altenkrempe. Biegt man an der Autobahnabfahrt Neustadt in Holstein/Pelzerhaken nicht in Richtung des Ostseebades Grömitz ab, sondern durchquert einige Hundert Meter weiter die eingangs erwähnte Gemeinde und kommt in den Ortsteil Hasselburg, tut sich am Ende der Allee ein Paradies auf.

Doch auf Gut Hasselburg, rund 300 Hektar groß und mitsamt der Gebäude etwa 260 Jahre alt, lohnt es sich nicht nur, den Blick schweifen zu lassen, wenn man das Torhaus durchschreitet. Auf dem Kultur-Gut lohnt auch das Hinhören. Und das nicht nur während des hier seit mehr als drei Jahrzehnten mit Konzerten alljährlich präsenten Schleswig-Holstein Musik Festivals. Denn nach einer kurzen Öffnung im Spätsommer und Herbst vergangenen Jahres hat rechtzeitig zu Ostern auf Gut Hasselburg ein bis heute einmaliges Hörspielmuseum für seine erste komplette Saison eröffnet. Und das liegt maßgeblich an Hamburger Initiative(n).

Erlebnis-Museum: Sandra Keck kennt das Gut schon

Sandra Keck steht vor dem Kreuzgewölbe. Die in Norddeutschland populäre Schauspielerin, Sängerin, Sprecherin und Regisseurin kennt sich auf Gut Hasselburg bestens aus. Schon bevor sie im Sommer 2020 auf eigenen Wunsch als festes Mitglied aus dem Ohnsorg-Ensemble ausschied, hatte sie in Ostholstein „Mona Lisa“ inszeniert. Das erste Leonardo-da-Vinci-Musical spielte 2019 hier in der Reetscheune, mit fast 80 Metern Länge und 25 Metern Breite die größte Deutschlands.

Die hatte die Hamburger Stahlberg Stiftung, seit zwölf Jahren Eigentümer von Gut Hasselburg, ebenso aufwendig renovieren lassen wie später das auf der anderen Seite der gepflegten großen Rasen-und Veranstaltungsfläche stehende moderne Kreuzgewölbe. In dem befand sich einst ein Kuhstall. „Im Sommer ist hier echt der Teufel los“, beschreibt Sandra Keck das kulturelle Treiben der Hochsaison.

Ausschnitte von Hörspiel aus dem Jahr 1929

Jetzt dreht sich hier alles ums vielschichtige Thema Hörspiel. Sandra Keck, die sich „Projektentwicklerin“ nennt, kam die Idee zum Museum nach ihrem ersten Gastspiel auf Gut Hasselburg. Ihr Konzept basiert darauf, die Produktion eines Hörspiels transparent darzustellen.

Durch das Torhaus gelangt man auf das 350 Hektar große Gut Hasselburg.
Durch das Torhaus gelangt man auf das 350 Hektar große Gut Hasselburg. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Zum Sehen, Hören, Anfassen und Selbermachen. „Deutschland hat eine 100-jährige Hörspielgeschichte. Die ersten Rundfunkgeschichten sind als Hörspiel gelaufen“, nennt sie historische Hintergründe. Sogar von einem Hörspiel des Jahres 1929, das auf einem Walfänger spielt, lassen sich im Kreuzgewölbe in Ausschnitten hören, auch wenn es zwischendurch ganz schön rauscht.

Fünf interaktive Stationen bieten Einblicke

Richtig eintauchen in die Faszination Hörspiel lässt sich - für Groß und Klein – an fünf interaktiven Stationen, Die erste ähnelt einem kleinem Kino, in dem die Gäste mit Kopfhörern und einem Imagefilm ans Thema herangeführt werden.

An der zweiten Station ist Geräuschemacher-Handwerk gefragt. Keck demonstriert, wie sich knisterndes Feuer erzeugen lässt - sie streicht mit einer Bürste über ein Kissen mit speziellem Inhalt: „Alte Hörspielkassetten von ,Benjamin Blümchen’“, verrät sie schmunzelnd.. Dass sich mit drei zusammengeschraubten Kleiderbügeln ein Türknarren erzeugen lässt, klingt verblüffend echt. Mit zwei alten Steppschuhen ihres Sohnes erzeugt Sandra Keck auf Kieselsteinen dann dramatische Fluchtgeräusche.

Heikedine Körting wurde zur „Hörspielkönigin“

Die dritte Station ist auch für die versierte Regisseurin eine echte „Spaß-Ecke“: Auf einem Pult mit neun großen roten Knöpfen haben junge und alte Slapstick-Fans die Qual der Wahl, über den Bildschirm flimmernde Stummfilmchen von Laurel und Hardy (alias „Dick und „Doof“ ) selbst zu vertonen. Ob nun ein „Autsch“, ein „Boing“ oder ein satter Furz - hier dominiert der Humor. Gewiss auch bei etwas in die Jahre gekommenen Vätern der Klamotte.

Gediegen, nahezu goldig wird es beim Abstecher ins „Körting-Kabinett“. So hat Gutsherr und Anstifter Constantin Stahlberg das Seitenzimmer des Museums getauft, benannt nach Heikedine Körting. Die inzwischen 76 Jahre alte Regisseurin und Produzentin hatte vor fünf Jahrzehnten dem Label Europa mit der Hörspielreihe „Hanni und Nanni“ einen ersten großen Erfolg beschert, ehe sie als Mutter der heute legendären Reihe „Die drei ???“ mit weiteren Dauerbrennen wie „Fünf Freunde“ und „TKKG“ zur „Hörspielkönigin“ avancierte.

„Körting-Kabinett“ gleicht einer Schatzkammer

Weil Frau Körting, ansonsten in Hamburg-Harvestehude in ihrer Villa mit Tonstudio an der Rothenbaumchaussee kreativ, seit Langem ihren Landsitz im Herrenhaus auf Gut Hasselburg hat, lag die Idee, wegen ihr ein Hörspielmuseum zu eröffnen, buchstäblich nahe. Das scheint gelungen.

Das „Körting-Kabinett“ steckt voller alter Kassetten und Langspielplatten.
Das „Körting-Kabinett“ steckt voller alter Kassetten und Langspielplatten. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Das „Körting-Kabinett“ gleicht einer Schatzkammer in Sachen Hörspiel. Die Wände zieren zahlreiche goldene gerahmte Schallplatten, in den fünf Vitrinen sind diverse Raritäten und Devotionalien spielerisch aufgereiht, dazu eine Auszeichnung für 200 Millionen verkaufte Europa-Tonträger. Gewissermaßen als Krönung steht im Zimmer eine echte Wurlitzer-Musicbox, die ein Hörspielfan umgebaut hat und mit einem Musikkassetten-Wechsler versehen hat.

Jeder kann sein eigenes Hörspiel produzieren

Weitere Jugenderinnerungen weckt die vierte Station: An zehn Kopfhörern gilt es „Hörspielhelden“ wiederzuerkennen - prominente Hörspiel-Sprecher von gestern und heute. Wer sich hinter den Stimmen von Hans Paetsch, einst der „Märchenonkel der Nation“, Hans Clarin („Pumuckl“, „Hui Buh“) oder dem Hamburger Jens Wawrczeck alias Peter Shaw von „Die drei ???“ verbirgt, das zeigen beim kleinen Hörquiz die Viten der Schauspieler und Sprecher zum Nachlesen.

An der vierten Station gilt es, zehn bekannteHörspiel-Sprecher zu erraten.
An der vierten Station gilt es, zehn bekannteHörspiel-Sprecher zu erraten. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Zu guter Letzt kann jede und jeder sein eigenes kleines Hörspiel produzieren, die fünfte Station entspricht mit Mikrofon, Tasten, Reglern und Knöpfen einem realen Aufnamenstudio. Dafür hat Sandra Keck sechs kurze Hörspielgeschichten geschrieben. Geeignet für ein bis drei Personen, meint die Autorin und Regisseurin. Wichtig sei, dass „Sprache, Musik und Töne zusammenkommen“.

Erlebnis-Museum: Geschichten mit dem Handy aufnehmen

„Insbesondere das erste Corona-Jahr mit seiner erzwungenen Isolation hat noch mal zu einem Aufschwung des Genres Hörspiel beigetragen“, hat Sandra Keck festgestellt. Ihr schwebt vor, dass Kinder und Jugendliche schon mit einem Hörspiel kommen und die Stationen nutzen, inklusive der passenden Musik.

Mit dem Smartphone können die Geschichten aufgenommen und dank einer App selbst geschnitten werden. Jedem sein kleines Hörspiel - womöglich ein Trend fürs Jahr 2022.

Hörspielmuseum Hasselburg geöffnet wieder Mo 18.4., 12.00-16.00, danach Di/Mi jew. 15.00-18.00, Sa/So 12.00-18.00 und auf Anfrage, im Juli/August täglich 12.00-18.00, Kultur Gut Hasselburg, Allee 4, 23730 Altenkrempe/Hasselburg, Eintritt 3,- (6 bis 16 J.) bis 8,- (Erw.), T. 04561/528 19 66; https://hasselburg.de/erleben/hoer-spiel-museum/