Die Iren veröffentlichen ihr drittes Album „Skinty Fia“, spielen im Juli in Hamburg – und machen auch vor Bono nicht halt.

Die beste Geschichte ist die, dass die fünf Musiker von Fontaines D.C. eigentlich erst mal literarische Ambitionen hatten. Im Selbstverlag veröffentlichten Grian Chatten, Carlos O’Connell, Conor Curley, Conor Deegan III und Tom Coll zwei Bücher mit Gedichten, ehe ihr musikalisches Debüt im Jahr 2019 erschien.

„Dogrel“ liebten dann aber alle auch ohne etwaige Kenntnis der Dichtkunst, das Album war so frisch und retro, wie Rockmusik in diesen Zeiten sein kann. Postpunk, Joy Division, The-Cure-Akkorde, Irishness: „Dublin in the rain is mine/A pregnant city with a Catholic mind”. Fontaines D.C. eroberte auch jenseits Britanniens heiße Herzen, die laute Musik mögen, im Sturm.

Albumkritik: Fontaines D.C. "Skinty Fia"

Das Nachfolgealbum „A Hero’s Death“ war ein Werk der Pandemie, konnte also nicht betourt werden. Zuletzt wurde auch das Gruenspan-Konzert abgesagt. Es wird aber aber am 21. Juli nachgeholt und dann eines sein, bei dem die Besucherinnen und Besucher die neuen Songs auch schon kennen. „Skinty Fia“ heißt das nun erscheinende Werk, es ist vom Sound her 90er-Britrock, Big Beat und Akkordeon und textlich vor allem ein Album, das sich mit Irland auseinandersetzt.

Was im Falle des Haupt-Texters Grian Chatten hauptsächlich bedeutet, vom neuen Zuhause London auf die eigene Herkunft zu schauen. Fontaines D.C. sind so irisch, wie es nur geht; zu Chattens Akzent kommt jetzt auch noch der keltische Sprachgebrauch. Putzig, beinahe: Der Titel „Skinty Fia“ ist ein Ausdruck von Schlagzeuger Tom Colls ausschließlich Irisch redender Großtante, ein Fluch, der so in die Richtung „Verdammter Hirsch“ geht (frei ins Englische und noch freier ins Deutsche übersetzt).

Gälische Texte, Nabokov und James Joyce

Der Albumeröffnungssong “In ár gCroíthe go deo” zitiert einen Grabspruch, ist aber wie die zweite Single „I Love You“ politisch aufgeladen; als Ire wird man mit England nie fertig. Dass ein Song „Bloomsday“ heißt (nämlicher übrigens genau der eine Song, der die erste Albumhälfte insgesamt vielleicht eine Nuance zu schwerfällig macht) und ein anderer „Nabokov“, ist natürlich ganz und gar herrlich. Man kriegt glatt Lust, jetzt wirklich und ernsthaft mal James Joyce zu lesen. Die Kulturabteilung der irischen Regierung sollte Fontaines D.C. also unbedingt eine Auszeichnung als derzeitige Rock-Botschafter Nummer eins verleihen. (Lieber nicht, Establishment geht gar nicht in dem Alter).

Niemand schreibt derzeit bessere Rocksongs wie „Jackie Down the Line“, und die Fanbasis von Fontaines D.C. wird mit diesem dritten Album sicher noch wachsen. Es ist das Werk einer gereiften Band, die im übrigen nicht nur auf den immergrünen Feldern des Indierock brilliert, sondern auch als U2-Coverband. Die Fontaines-Interpretation von „One“ steht auf Youtube und ist sehr hübsch geworden.