Hamburg. Der von der Kulturbehörde geförderte CD-Sampler „Special Moves 05“ zeigt den Leistungsstand der Jazz-Szene.

Giovanni Weiss saß gerade am Steuer eines Lkw, als er die Nachricht bekam, dass die Kulturbehörde in Kooperation mit dem Jazzbüro bezahlte Kompositionsaufträge vergibt. Ein Moment, der ihm auch viele Monate später noch sehr präsent ist, denn plötzlich war sie da wieder da, die verloren gegangene Hoffnung.

Jazz in Hamburg: Die Hansestadt dreht auf

Der 41-Jährige ist Jazzgitarrist und einer der wirklich Großen in seinem Metier. Zweimal hat er den Echo Jazz gewonnen, hat mit der NDR Bigband beim Elbjazz Festival gespielt. Doch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns trafen auch ihn schwer. Keine Auftritte mehr für den Profimusiker: Wovon sollten er, seine Frau und die drei Kinder leben? Vom Jazz jedenfalls ging es plötzlich nicht mehr, und so wurde Weiss vom Gitarristen zum Lkw-Fahrer. Ein in vielerlei Hinsicht hartes Brot – und am härtesten war es, langsam den Mut zu verlieren, als sich herausstellte, dass die Pandemie nicht nach ein paar Wochen Geschichte sein würde.

Als er dann erfuhr, dass ein Hamburg-Jazz-Sampler mit neuen Kompositionen geplant sei, für den 130.000 Euro zur Verfügung stehen, kündigte er umstandslos seinen Job und fuhr noch am selben Nachmittag ins Studio, um mit der Arbeit an neuen Stücken zu beginnen. „Da habe ich gemerkt, es gibt Leute, die sich um uns Musiker kümmern und wieder Kraft geschöpft“, erinnert er sich.

Jazz: CD-Sampler „Special Moves 05“ präsentiert

Moderatorin Stephanie Lottermoser  Kultursenator Carsten Brosda, Jazz­büro-Cefin Réka Csorba (v. l.)
Moderatorin Stephanie Lottermoser Kultursenator Carsten Brosda, Jazz­büro-Cefin Réka Csorba (v. l.) © Thomas Panzau | Thomas Panzau

Nun ist die Doppel-CD „Jazz City Hamburg – Special Moves 05“ erschienen, die nun in der Jazzhall der Hochschule für Musik und Theater vorgestellt wurde: 24 Stücke finden sich darauf, die die Spannbreite und enorme Qualität der Hamburger Jazzszene dokumentieren. Eine Szene, die zunächst wie paralysiert war und über die der in der Jazzhall anwesende Kultursenator Carsten Brosda sagt, man habe schon die Sorge gehabt, nach der Pandemie könnten viele einfach verschwunden sein. Schließlich ergab in Berlin eine Studie des Landesmusikrats, dass sich dort etwa ein Drittel der Profimusikerinnen und -musiker inzwischen beruflich umorientiert haben.

In Hamburg sei es aber nicht darum gegangen, „den erzwungen Stillstand zu alimentieren“, sondern darum, bezahlte Möglichkeiten für kreatives Arbeiten zu schaffen. Deshalb unter anderem die Idee zu diesem Sampler, für den insgesamt 60 Bewerbungen eingingen, aus denen eine Fachjury dann 24 auswählte. Ihr sei es in diesem Zusammenhang auch wichtig gewesen, „das Genre zu öffnen“, sagt Réka Csorba, die das Hamburger Jazzbüro seit 2020 als Geschäftsführerin leitet. Ob Pop, Soul, Klassik oder Hip-Hop, vieles habe hier als Einfluss seinen Platz, denn: „Jazz bezieht immer alles ein, was gerade musikalisch passiert.“

Jazz in Hamburg: Kreativer Output

„Wir werden immer wieder in Situationen kommen, auf die wir nicht vorbereitet sind“, sagt Brosda in seiner kurzen Rede und verweist neben der Corona-Pandemie auf den Ukraine-Krieg. Aber hier gelte das Wort des großen Saxofonisten Lee Konitz, „Be pre­pared to be unprepared“, also: Sei darauf vorbereitet, unvorbereitet zu sein und improvisieren zu müssen.

Tatsächlich stehe man mit der Jazzszene, speziell mit dem Jazzbüro, in einem sehr engen Austausch, was auch so bleiben solle, wenn die Zeiten irgendwann mal wieder ruhiger werden. Mit der Jazzhall in der Musikhochschule habe man eine großartige neue Location, für die das Gleiche gelte wie für die Elbphilharmonie: „Es ist nur die Hülle, entscheidend ist der Inhalt, das, was hier auf die Bühne kommt.“

Darum allerdings muss sich wohl keine Sorgen gemacht werden. Das haben die hier bereits veranstalteten Konzerte mit lokalen Künstlern und internationalen Stars gezeigt, das zeigt auch dieser späte Nachmittag: Giovanni Weiss lässt Gitarrenläufe perlen, die an den großen Joe Pass (1929–1994) erinnern, einfühlsam begleitet von Bassist Giorgi Kiknadze und Schlagzeuger Moritz Hamm. Sängerin Cleo Steinberger, gerade mal 26, zeigt mit drei Stücken, darunter der betörenden Eigenkomposition „Dare To Dream“, dass sie das Zeug für die großen Bühnen hat – was auch Veranstalter Karsten Jahnke (JazzNights, Elbjazz Festival), der im Publikum sitzt, aufmerksam registriert.

Wie er die Hamburger Jazzszene im bundesweiten Vergleich einschätze, wird Brosda zum Abschluss von der souveränen Moderatorin (und Saxofonistin) Stephanie Lottermoser gefragt. Er halte nichts von derlei Rankings, antwortet dieser. Wirklich wichtig sei schließlich der (nicht in Zahlen messbare) kreative Output. Und an dem, das zeigt diese Doppel-CD, herrscht in Hamburg tatsächlich kein Mangel.

Der Sampler „Jazz City Hamburg – Special Moves 05“ ist erhältlich beim Jazzbüro Hamburg. Bestellung per E-Mail an jazz@jazzbuero-hamburg.de