Hamburg. Dan Bejar ist der Tausendsassa der Popmusik. Diese Titel vom neuen Destroyer-Album sollten in jeder Jahresbestenliste auftauchen.
Dan Bejar ist der große Freestyler des Indierock. Als solcher ist er längst nobilitiert, und man muss sich auch klarmachen, wie ewig der als Sohn eines Spaniers und einer Amerikanerin hauptsächlich in Kanada aufgewachsene Mann schon eine formidable Platte nach der anderen veröffentlicht: seit einem Vierteljahrhundert mittlerweile. (Das erzählt einem bedauerlicherweise auch etwas über das eigene Altern.)
Bejar hat sich, als Mastermind seines Band-Projekts Destroyer, hinter dem sich immer konstruktives Song-Bauen und niemals Metal-Geschrubbe versteckte, auch mit seiner überzeugt quengeligen Stimme ein Markenzeichen geschaffen. Außerdem ist er ein kluger Texter, der seinen Songs die Poesie überstülpt, die unaufdringlich genug ist, aber verrätselt in ihrer Aussage bleibt: Bejars Bewusstseinsströme sind angenehm meditativ.
Dan Bejar war schon immer in Melodien verliebt
Destroyer-Lyrics kann man sicher gut im Proseminar Anglistik besprechen. Am besten an Dan Bejars Schaffen ist seine Lust am Sound-Experiment, das nie seinen Pop-Appeal verliert: Weil Bejar immer schon in Melodien verliebt war. Piano-Balladen, Rocksongs, Ambient-Epen, Softporno-Soundtracks – auf seinen jetzt 13 Alben klang Destroyer jedes Mal anders und doch, wie man so sagt, unverwechselbar.
Wenn jetzt das nach dem famosen „Have We Met“ (2020) das neue Album „Labyrinthitis“ (PIAS, physisch auf CD und Vinyl ab 17.6.) erscheint, ist Bejar wie bei jenem Vorgänger auf der Höhe seiner Kunst. 80er-Jahre-Synthiepop, der selten schwelgerisch, aber viel öfter fast tanzbar ist: Das ist eigentlich unfassbar. Aber irgendwie auch logisch, dass ein Zauberer wie Bejar, der diese ganzen Songwriter-Winkelzüge dann eben doch wie Selbstverständlichkeiten aussehen lässt, am Ende auch bei Funk und Disco landet. Mit „June“ und „The States“ sind auf diesem Album mindestens zwei Stücke, die auf jeder Jahresbestenliste auftauchen sollten.
Der ungewöhnlichste Song trägt, in Anlehnung an den historischen Maler, den Titel „Tintoretto, It’s For You“ und ist, wenn man so will, tatsächlich Manierismus. Mit seiner hohen Kunst der Soundmalerei ist Daniel Bejar jedenfalls in Olymp angekommen, dort, wo die Götter sitzen und über uns Menschen wachen, die wir uns die Zeit nehmen, noch ganze Alben zuhören. „Labyrinthitis“ ist eines der besten derzeit.