Hamburg. Die Theaterei Herrlingen darf als erste Bühne den Bestseller inszenieren – Hamburg-Premiere ist beim Festival im Juni.
Deutschland ist schön – ganz schön groß. Das wissen auch die neun Mitglieder der Jury der Privattheatertage. Bei ihrer Art Tourismus haben sie zwar kaum etwas von den jeweiligen Städten und Regionen gesehen, umso mehr aber dunkle Theatersäle und erhellende Aufführungen. Mehr als 147.000 Kilometer ist die Jury bis Ende März gereist – ebenso ein Rekord wie die Zahl von 122 Bewerbungen für das seit 2012 in Hamburg spielende Festival.
„Das zeigt die große Akzeptanz der Privattheatertage“, sagte Festival-Initiator Axel Schneider, der mit seinem kleinen Mitarbeiterstab alle 240 privat geführten Bühnen in Deutschland angeschrieben hatte. Zur Auswahl standen Stücke der von der Pandemie stark eingeschränkten Spielzeit 2020/21 und der noch laufenden Saison. Zum zehnten Jubiläum – im Jahr 2020 fielen die Privattheatertage coronabedingt ganz aus – verzeichnet Schneider weitere Neuheiten.
Theaterfestival: Fünf Produktionen aus München bei den Privattheatertagen
Unter den wie üblich zwölf nominierten Produktionen kommen vom 21. Juni bis 3. Juli gleich fünf aus München. „Und es ist das erste Mal, dass zwei Stücke aus einem Theater dabei sind“, so Schneider. Die kleine Kulturbühne Spagat ist mit „Kitzeleien – Der Tanz der Wut“ in der Kategorie (Zeitgenössisches) Drama und mit „Martha“ (nach Martina Bergmanns Roman „Mein Leben mit Martha“) in der Komödie vertreten.
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Die Privattheater-Metropole Hamburg blieb trotz seiner Vielfalt diesmal unberücksichtigt, bietet indes wiederum acht verschiedene Spielstätten fast im gesamten Stadtgebiet. Erstmals öffnet das English Theatre für die Privattheatertage, dort spielt am 1. Juli „Clockwork Orange“ vom Zentraltheater München. Als (Moderner) Klassiker sind außerdem E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ vom Wolfgang Borchert Theater Münster, Maxim Gorkis „Wir, Kinder der Sonne“ vom Rottstr 5 Theater aus Bochum und „Keller“ nach Fjodor Dostojewski von der Bremer Bühne Cipolla, bekannt für ihr Figurentheater, eingeladen. „Es ist wichtig, dass auch Autoren, die für die russische Kultur stehen, vertreten sind“, kommentierte Schneider diese Auswahl.
Theater aus Ulm darf als einzige Bühne Dörte Hansen adaptieren
Ein Coup – nicht erst mit der Nominierung – ist der Theaterei Herrlingen gelungen: Das Haus aus Blaustein bei Ulm hatte als einzige Bühne hierzulande von der nordfriesischen Autorin Dörte Hansen die Erlaubnis für eine Adaption ihres Bestsellers „Altes Land“ erhalten – am 25. Juni ist diese erstmals in Hamburg zu erleben, im Harburger Theater. Deutschlands Bühnen und ihre Stücke gehen manchmal seltsame Wege.
Mit welcher Komödie, ob nun mit dem „Automatenbüfett“ vom Theater im Bauturm Köln oder „Der eingebildete Kranke“ vom Theater Lindenhof Melchingen, die Privattheatertage am 21. Juni in Altona eröffnen, entscheidet sich bis zum Vorverkaufsstart am 26. April. Ebenso die Saalauslastung. Fest steht: Die Monica-Bleibtreu-Preise in den drei Kategorien und der ebenfalls undotierte Publikumspreis werden bei der Gala am 3. Juli in den Kammerspielen verliehen, erstmals moderiert vom Kabarettisten Christian Ehring („extra 3“).
Die Privattheatertage-Finanzierung für 2023 müsste Axel Schneider wieder neu beantragen. „Neue Regierung, neues Glück“, unkte der Festivalleiter. Fürs zehnte Jubiläum deckt sich der Etat aus dem seit Jahren konstanten Zuschuss vom Bund (500.000 Euro), dazu kommen 50.000 Euro von der Stadt Hamburg und die Karteneinnahmen.
Das Programm: privattheatertage.de