Hamburg. Die Hamburger Sängerin ist auf dem besten Weg zu einer internationalen Karriere. Im April endet ihre erste Tournee im Gruenspan.

Dass Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland über die Grenzen hinaus wenig Beachtung finden, ist trotz Ausnahmen wie Rammstein, den Scorpions oder Tokio Hotel ein ehernes Gesetz in der Popmusik. Man kann es sich ja auch hierzulande gemütlich einrichten. Die 19 Jahre junge, in Hamburg geborene und in Dulsberg lebende Sängerin und Songschreiberin Zoe Wees hingegen möchte gar nicht erst in dieser Komfortzone landen. Mit 14 Jahren macht sie ihre ersten musikalischen Schritte, begleitet von ihrem Musiklehrer und späteren Manager Nils Bodenstedt. Ihr Ziel: Mit Musik Menschen erreichen, überall auf der Welt.

Und trotz Corona ist dieses Ziel greifbar. Mit erster hoher Aufmerksamkeit auf den Popmotoren von heute, TikTok und Instagram, ist die Basis für den Erfolg der Debütsingle „Con­trol“ im März 2020 bereitet. Das Lied über Zoes Kindheit mit Rolando-Epilepsie findet sogar in den USA Beachtung, dort wird sie in den beliebten TV-Shows „The Late Late Show with James Corden“, „The Tonight Show starring Jimmy Fallon“ und als erste deutsche Sängerin bei den „American Music Awards“ vorgestellt.

Konzert: Zoe Wees arbeitet an erstem Album

Nach ihrer ersten EP „Golden Wings“ im Mai 2021 arbeitet Zoe Wees derzeit an ihrem ersten Album und bereitet sich für ihre erste Tournee vor, die sie am 19. und 20. April im Hamburger Gruenspan abschließt. Wir sprachen mit der vor Vorfreude und Auf­regung strahlenden, aber auch sehr nachdenklich reflektierenden Sängerin über ihre erste Konzertreise, Erfahrungen im Musikgeschäft und die neuen Inhalte, die Künstlerinnen in ihren Texten verarbeiten und damit immer mehr Menschen inspirieren.

Hamburger Abendblatt: Demnächst beginnt Ihre erste Clubtournee, und das auch noch quer durch Deutschland und Europa. Wie oft sind Sie bislang vor Publikum aufgetreten? Corona hat ja seit März 2020 vieles ausgebremst.

Zoe Wees: Ich hatte im letzten Sommer einige Auftritte, aber in der Form, wie es jetzt abgeht, war das noch nicht.

Was können die „Wingz“, wie sich Ihre Fans nennen, im Gruenspan erwarten?

Wees: Es wird absolut dope. Spannend, aufregend und verrückt. Die Songs live mit Band zu spielen, sich zu bewegen, das Licht, das wird alles crazy. Und die Jungs rocken das richtig. Ich habe denen nur gesagt: „Lasst uns international klingen“ – und es klang sofort perfekt. Wir probieren uns da auch sehr aus und verändern die Songs gegenüber den Studioversionen. Ich spüre, dass die Bühne mein Zuhause sein wird.

Sie leben und arbeiten seit zwei Jahren unter beachtlicher internationaler Aufmerksamkeit. Hat Sie das verändert als Mensch und als Künstlerin?

Wees: Ich weiß, dass ich auf jeden Fall professioneller geworden bin, seit ich mich jeden Tag mit mir und der Musik aus­einandersetzt habe. Ich habe viel auch über mich gelernt, welche Menschen ich an mich heranlasse und welche lieber nicht. Wo ich im Musikgeschäft aufpassen muss. Und welche schönen Seiten dieses Leben hat: Als ich das allererste Mal auf die Bühne gehen konnte und live singen konnte, mit meiner Band und meinem Sound, das war ein magischer Moment.

Das Musikgeschäft ist eine Welt der tausend Gesichter, und jedes will irgendwas. Tu dies, mach das, Termine, Abgabefristen, acht Tage die Woche. Kommen Sie damit gut zurecht?

Wees: Wir haben dasselbe Team, seit ich angefangen habe, da ist man schon sehr vertraut. Aber am Anfang hatte ich schon manchmal das Gefühl, nur mitzulaufen. Als ich älter geworden bin, habe ich aber gemerkt, dass ich nicht für das Team arbeite, sondern mit dem Team. In diesem Geschäft geht es nur darum, Lösungen zu finden, das habe ich erkannt.

In Songs wie „Lonely“ und „Control“ singen Sie über Zeiten, in denen Sie sich gesundheitlich bedingt verstecken mussten. Jetzt stehen Sie voll ausgeleuchtet in der Öffentlichkeit und auf der Bühne. Ist das ein Akt der Befreiung oder immer noch eine Herausforderung?

Wees: Es ist eine Herausforderung. Es gibt in der Öffentlichkeit Menschen, die sich inspirieren lassen von mir und meine Musik abfeiern. Aber das heißt nicht, dass ich mich weniger einsam fühle, nur weil ich mehr Leute um mich herum habe. Ich bin immer noch die, die ich immer war.

Die mediale Omnipräsenz und Verfolgbarkeit, die eine Künstlerin heutzutage begleitet, bedeutet auch permanente Beobachtung. Sie haben schon erlebt, wie Fans aufdringlich wurden. Ist man gleichzeitig Künstlerin und … Content, also Inhalt?

Wees: Auf jeden Fall (lacht).

Internationale Stars wie Billie Eilish und Lizzo stellen in ihren Texten Themen wie das Verhältnis zum Körper, seelische Probleme und Ermutigung – „Empowerment“ – in den Vordergrund. Es sind Inhalte, die vor einigen Jahren noch kaum präsent in der Musik-Glitzerwelt waren. Kann man sagen, dass wir thematisch eine Revolution im Pop erleben?

Wees: Ich glaube, wenn die Künstlerinnen das nicht gemacht hätten, wäre es nicht so sehr zum Thema in der Musik geworden. Musik hat eine große heilende Kraft und nimmt einen an die Hand. Deshalb bin ich mir beim Schreiben auch der Verantwortung bewusst und schaue genau, wie ich etwas sage, damit sich niemand angegriffen fühlt.

Interessanterweise singen wenige Männer über ihre persönlichen Krisen.

Wees: Das ist, glaube ich, immer noch das alte Rollenbild, dass Männer nicht über Gefühle singen und sprechen. Dabei sind wir doch alle nur Menschen, das ist doch völlig normal, wenn man sich schlecht fühlt. Und das sollte man doch sagen dürfen, sonst stirbt man innerlich. Und das will doch keiner.

Wann können wir ein Album erwarten?

Wees: Ich bin ready. Wir müssen zwar noch gefühlt mit 30.000 Leuten sprechen, aber ich bin am Start.

Ihnen stehen viele Türen offen – werden Sie Ihre Heimatstadt verlassen? In Richtung New York oder London zum Beispiel?

Wees: Ich kann mir vorstellen, wegzuziehen. Aber ich weiß, dass Hamburg durch die Menschen, die hier leben, für immer mein Zuhause bleiben wird. Und ich werde immer versuchen, hier eine Möglichkeit zu behalten, jederzeit zurückzukommen. Aber das liegt noch in weiter Ferne.

Pullover mit der Aufschrift „Straight outta Dulsberg“ würden Sie tragen?

Wees: Wenn er gut aussieht? Natürlich!

Zoe Wees live Di 19.4. (ausverk.), Mi 20.4., 20.00, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Karten zu 35,95 im Vorverkauf