Lübeck. Die Kunsthalle St. Annen in Lübeck zeigt in „Female View“ 21 prägende Modefotografinnen. Wie sich die Arbeiten unterscheiden.
„Zieh mal dein T-Shirt hoch, ich will dich ansehen.“ Dieser Satz, geäußert von einem berühmten Modefotografen in einem Studio voller Kunden, Assistenten und Kameraleuten war es, der die damals noch sehr junge Gabriele Oestrich dazu veranlasste, sofort das Studio wieder zu verlassen. Allerdings war dies auch das Ende einer nicht einmal begonnenen Zusammenarbeit mit Helmut Newton. „Ich musste sogar zur Hintertür raus“, erzählt die heute 60-Jährige, als sie vor ihren großformatigen Hochglanzbildern steht.
Aus dem einstigen Model ist Gabo, die renommierte Hamburger Porträtfotografin, geworden. Seit 1986 fotografiert sie Prominente aus Sport, Film, Mode und Politik. In der Kunsthalle St. Annen in Lübeck ist sie jetzt im Rahmen der Ausstellung „Female View. Modefotografinnen von der Moderne bis zum Digitalen Zeitalter“ zu erleben. Die zentrale Frage, ob es den weiblichen Blick in der Fotografie gibt, der sich von der männlichen Perspektive unterscheidet, bejaht Gabo ganz klar.
Ausstellung: Gabo geht intuitiv bei ihrer Arbeit vor
Fotografinnen seien einfühlsamer, empathischer und würden mehr im Team arbeiten anstatt den Ton anzugeben. Wenn die porträtierte Person einen schlechten Tag habe, sei das völlig okay. Überhaupt geht Gabo sehr intuitiv und spontan bei ihrer Arbeit vor, um den Menschen zu erkennen.
„Shut up and be beautiful“ – das einst gängige Motto in einer hauptsächlich von Männern beherrschten Branche – für sie und viele ihrer Kolleginnen, darunter Ellen von Unwerth, völlig undenkbar. Es seien Erfahrungen wie die mit Helmut Newton, die sie zu der Fotografin gemacht haben, die sie heute ist. Die Seite zu wechseln, also lieber hinter als vor der Kamera zu stehen, ist eine Strategie, um diesem ungesunden Machtverhältnis zu entkommen und es einfach anders zu machen.
„Meine Erotik stellt die Persönlichkeit in den Fokus“
Die Arbeitsweise und der Umgang mit Modellen ist eine Sache. Wie aber sehen Frauen Frauen, und wie ist dieser weibliche Blick in den Bildern auszumachen? Eine tief dekolletierte, Spaghetti essende Eva Padberg oder eine sich lasziv räkelnde Jessica Schwarz am Seerosen-Teich – wie viele ihrer männlichen Kollegen wolle auch sie erotische Bilder erzeugen, so Gabo, die unter anderem für den „Playboy“ gearbeitet hat. „Aber meine Erotik ist weicher, sinnlicher und stellt die Persönlichkeit in den Fokus.“
Eine andere Frau zu zeigen, das war auch schon das Anliegen vieler früherer Fotografinnen wie etwa Lee Miller, Yva, Madame d’Ora, Lillian Bassman, Charlotte March, Sibylle Bergemann und Bettina Rheims. Ihre Bilder gehen über die Präsentation von Kleidern und Stilen hinaus, vielmehr sind sie Zeugnisse gesellschaftlicher Prozesse. Fotografinnen, das zeigt die Ausstellung deutlich, waren und sind feine Beobachterinnen dieser Veränderungen. Und dennoch standen sie lange im Schatten männlicher Kollegen, engagierten ausgerechnet Moderedakteurinnen häufig lieber Fotografen.
Ausstellung: Schönheitsbegriff hat sich verändert
Heute präsentieren selbstbewusste und emanzipierte Künstlerinnen wie Amber Pinkerton, Nadine Iljewere oder Liv Liberg in Online- und Printmedien ihre persönliche Sicht auf globale Vielfalt und einen vielschichtigen Schönheitsbegriff, der im Wesentlichen durch Persönlichkeit und Identität geprägt ist.
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In diesem Sinne sei die Ausstellung „ein gesellschaftliches Statement und ein Statement als Kunstinstitution“, so Kunsthallen-Leiterin Antje-Britt Mählmann.
„Female View. Modefotografinnen von der Moderne bis zum Digitalen Zeitalter“ 20.3. bis 3.7., Kunsthalle St. Annen, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck, Di–So 11.00–17.00 (ab 1.4. 10.00–17.00), Eintritt 8,-/4,- (erm.), www.kunsthalle-st-annen.de