Lübeck. Das Günter-Grass-Haus präsentiert als Dauerausstellung erstmals biografische Übersicht von Leben und Werk des Nobelpreisträgers.
Dass eine Schreibmaschine mal so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, war nicht unbedingt zu erwarten. Eine Olivetti ist eines der zentralen Exponate im Günter-Grass-Haus in Lübeck, in dem aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des Museums (der Jahrestag ist eigentlich erst im Oktober) die neue Dauerausstellung „Das ist Grass“ gezeigt wird. Auf dem kleinen mechanischen Gerät, das der Dichter 1954 geschenkt bekam, hat Grass (1927-2015) Weltliteratur geschrieben, unter anderem „Die Blechtrommel“, erschienen 1959.
Schon vor drei Jahren kam sein Kollege und Freund Salman Rushdie in Lübeck vorbei und posierte mit der Schreibmaschine für ein Video. Natürlich nicht, ohne danach mit Marzipan-Schwarzbroten einer bekannten Lübecker Süßwaren-Firma abzuziehen. „Das war aufregend“, sagte er damals.
Günter-Grass-Haus in Lübeck zeigt "Blechtrommel"-Schreibmaschine
Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung an der Glockengießerstraße bekommen eine ganze Menge geboten, vieles sind Original-Exponate. Begrüßt wird man auf der Diele des Hauses mit dem Schriftzug: „Willkommen in der Welt von Günter Grass“. Bilder seiner Kindheit und Jugend in Danzig nehmen mit auf eine Reise durch sein Leben und die deutsche Geschichte. In Neonfarben prangt die Unterschrift des Autors.
Erhalten geblieben ist der Kolonialwarenladen aus der „Blechtrommel“-Verfilmung aus der vorausgegangenen Dauerausstellung. Dioramen illustrieren Schlüsselszenen des Romans. Bevor man den Ausstellungsraum erreicht, schreitet man über einen Läufer mit Motiven aus dem Stadtbild von Grass‘ Geburtsstadt Danzig. An der Wand davor wird auf einer großen Videowand die Videocollage „Worüber ich schreibe…“ gezeigt, in der der Autor über sich und sein Werk Auskunft gibt. Am Ende spielt Ärzte-Schlagzeuger Bela B. ein virtuelles Percussion-Duett mit Oskar Matzerath (David Bennent), der bekanntlich auf diese Weise in Buch und Verfilmung die Nazis aus dem Tritt bringt.
Radierungen, Lithografien und Buchmanuskripte von Günter Grass
Ausgestellt sind auf rund 100 Quadratmetern einige der insgesamt 1400 Radierungen, Lithografien, Buchmanuskripte und Briefe. Zu sehen sind auch Aquarelle, Grass‘ Bildhauerwerkzeuge sowie Skizzenbücher aus dem Nachlass. Dokumente um die Gruppe 47, Fotos, wie etwa aus seinem Atelier in Düsseldorf, Radierplatten, die Nobelpreisurkunde, die er im Jahr 1999 in Stockholm überreicht bekam, und seine Pfeife komplettieren die Ausstellung.
Gegen Ende seines Lebens begann Grass wieder Aquarelle zu malen – wie schon zu Beginn seiner Karriere. „Dieses Haus ist nicht nur ein Literatur-, sondern auch ein Kunstmuseum“, erläutert Jörg-Philipp Thomsa, Leiter des Grass-Hauses, den Anspruch der Ausstellung. Konzipiert hat sie der Berliner Künstler Matthias Kaminsky, der auch Creative Director des DDR-Museums in Berlin ist.
Zahlreiche Fotos aus unterschiedlichen Phasen seiner Karriere ergänzen die Exponate, hinzu kommen einige Grass-Zitate. „Bin ich nun Schreiber oder Zeichner?“, hat sich das Multitalent gefragt. „Mein Thema ist die Konfrontation des Gegenständlichen“, heißt es an anderer Stelle. Angeblich hat er schon während des Zweiten Weltkriegs gewusst, dass er unbedingt Künstler werden wollte. An anderer Stelle heißt es: „Ich wurde reich an Figuren. In Paris suchte ich nach einem ersten Satz.“
Günter-Grass-Haus mit Exponaten zum Anfassen
Besondere Attraktionen sind die sogenannten „Hyperboxen“ die sich speziellen Themen widmen. Eine dieser Boxen ist dem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ gewidmet, eine andere dem Roman „Die Rättin“. Auch „Im Krebsgang“ erfährt eine besondere Würdigung. Man kann Schubladen aufziehen und einige der Exponate nicht nur ansehen, sondern auch anfassen. Der Innenhof des Museums wurde mithilfe von Skulpturen zu einer Art Freilichtmuseum umgestaltet. Die Original-Schreibmaschine hat übrigens Grass’ Sohn Bruno für die Ausstellung in Lübeck als Leihgabe zur Verfügung gestellt, der als TV-Regisseur in Hamburg lebt.
Im virtuellen Archiv des Grass-Hauses unter grass-haus.de findet man Manuskripte, Zeichnungen, Werkpläne und Abbildungen von Skulpturen von Günter Grass sowie Filme von und mit T.C. Boyle, Cornelia Funke, Nina Hoss, Johann Lafer, Denis Scheck, Anna Thalbach, Ulrich Wickert und Ranga Yogeshwar. Grass, der übrigens auch ein leidenschaftlicher Koch und Tänzer war, hat einmal gesagt: „Je größer die Intelligenz, desto verheerender kann die Dummheit ins Kraut schießen.“ Vielleicht noch nie stimmte das so sehr wie heute.