Hamburg. Der letzte richtige Festivalsommer liegt durch Corona lange zurück. Die großen norddeutschen Open-Air-Festivals bleiben optimistisch.

Wann wird es mal wieder richtig Festivalsommer, wie er früher einmal war? Ohne Sonnenschein wie in der Regel beim Hurricane Festival, dafür mit 60, 80, 120 Bands, 15.000, 60.000, 78.000 Menschen, silbernen Iglu-Wurfzelten, Speis und Trank aus der Büchse und verkrusteten Hosen?

Es ist schwierig zu sagen, weiterhin. Aber die Veranstaltenden der norddeutschen Festivals Elbjazz (3. und 4. Juni, Hamburger Hafen, Elbphilharmonie), Hurricane (17. bis 19. Juni, Eichenring Scheeßel), Deichbrand (21. bis 24. Juli, Seeflughafen Cuxhaven), Wacken Open Air (3. bis 6. August, Wacken) und MS Dockville (19. bis 21. August, Reiherstieg Wilhelmsburg) planen fest für die Saison 2022.

Konzerte: „Wir haben die besten Fans der Welt!“

„Wissenschaft und Politik sind sich einig, dass die derzeitige Welle sehr bald hinter uns liegt und für den Sommer aller Voraussicht nach mit einem schwachen Infektionsgeschehen zu rechnen ist“, fasst Hurricane-Veranstalter FKP Scorpio die derzeitige Stimmung in der Branche zusammen. Dabei kann man sich auch auf die Zuversicht, das Vertrauen und vor allem die Geduld des Publikums verlassen.

Bis auf Elbjazz vermelden alle Festivals bereits jetzt eine Auslastung von 90 bis 95 Prozent, eine überwältigende Mehrheit der Ticketkäuferinnen und -käufer der ausgefallenen Festivals des Jahres 2020 (und 2021) hat die am Kühlschrank und auf den Anrichten langsam Staub ansetzenden Karten für 2022 umschreiben lassen, statt vorhandene Rückzahlungsangebote wahrzunehmen. „Dieses entgegengebrachte Vertrauen über einen so langen Zeitraum freut uns, und das wissen wir sehr zu schätzen. Wir haben die besten Fans der Welt!“, freut sich Wacken-Veranstalter Thomas Jensen. Für Elbjazz sind 75 Prozent der Karten über die Zeit gerettet worden.

Programme wurden weitestgehend erhalten

Dabei dürfen sich die Festivalfans auch nach zwei Jahren Verzug auf die gleichen Bands freuen, sowohl bei den Topnamen als auch im Kleingedruckten auf den Festivalplakaten wurden die
Programme weitestgehend erhalten, mit Headlinern wie Judas Priest und Slipknot in Wacken, Kraftklub und Steve Aoki beim Deichbrand, Seeed und Deichkind beim Hurricane, Girl In Red und Faber beim Dockville, Melody Gardot und John McLaughlin beim Elbjazz.

75.000 Fans hätten Platz beim  Wacken Open Air.
75.000 Fans hätten Platz beim Wacken Open Air. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Wir freuen uns nach einer langen, schwierigen und entbehrungsreichen Zeit unbändig darauf, endlich wieder durchstarten zu können. Unsere Branche war die erste, die von Einschränkungen betroffen war, und wird die letzte sein, die wieder vollständige Normalität genießen kann. Wir haben in der Zeit der Pandemie sowohl Verständnis für die weitreichenden Schutzmaßnahmen gezeigt als auch innovative Konzepte entwickelt, die immerhin ein Mindestmaß an Kultur möglich gemacht haben“, teilt FKP Scorpio mit.

„Kapazitätsbeschränkung kommt für uns nicht infrage"

Wobei die Festivals trotz der in den zwei Jahren entwickelten Konzepte für die Durchführung ihrer Großveranstaltungen größere Einschränkungen wie Verringerung der Kapazität oder Maskenpflicht nicht um jeden Preis hinnehmen können: „Eine Kapazitätsbeschränkung kommt für uns nicht infrage. Die Kalkulation des Festivals ist verbunden mit der erwarteten Zahl der Besucherinnen und Besucher, entweder volle Kapazität, oder wir können nicht wirtschaftlich veranstalten“, mahnt die Deichbrand-Agentur ESK Events, übereinstimmend mit den Einschätzungen des Hurricane.

60.000 im Herzen von Hamburg: das MS Dockville Festival.
60.000 im Herzen von Hamburg: das MS Dockville Festival. © Marcelo Hernandez

Das Elbjazz sieht sich in der Lage, Abstriche zu machen „für den Fall, dass (kurzfristig) per Verordnung geringe Einschränkungen in Bezug auf die möglichen Auslastungen der Spielorte oder auf die Abläufe vor Ort notwendig sein werden“. Dockville, das 2021 unter dem Motto „Fast ein Festival“ Tagesevents mit bis zu 1000 Besuchenden veranstaltete, beobachtet „die Situation laufend, und wir gleichen unsere Planungen immer wieder mit dem Status quo der geltenden Hygienemaßnahmen ab. Die Erfahrungen aus dem letzten, für uns als Veranstaltende sehr dynamischen Jahr haben uns eine gewisse Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit gelehrt.“

Konzerte: Veranstalter hoffen auf verbindliche Perspektive

In Wacken arbeite man weiterhin eng mit den zuständigen Behörden zusammen, „da wir die Sicherheit und Gesundheit aller auf dem Festival Anwesenden als höchstes Gut betrachten. Die im Festivalzeitraum geltenden Maßnahmen werden entsprechend berücksichtigt.“ Unisono erhoffen sich alle Veranstaltenden zeitnah verbindliche Perspektiven für die gesamte Branche, von den großen Musikmarathons bis zu Hamburger Tagesfestivals wie Spektrum/Vogelball (6. August, Dockville-Areal), Damage Done Fest (27. August, Dockville-Areal) und das auf den Großmarkt zurückkehrende Elbriot (20. August).

„Die Politik muss jetzt dringend verlässliche Spielregeln für Frühjahr und Sommer kommunizieren. Wenn die Unsicherheit mit Blick auf Kultur- und Sportveranstaltungen im Sommer nicht seitens der Regierungen genommen wird, werden Veranstaltungen ihre Tickets nicht mehr los, und das Kultursterben schreitet voran“, warnt das Deichbrand Festival, „wir können es kaum noch erwarten, nach zweijähriger Zwangspause endlich wieder stattfinden zu können und gemeinsam mit unserer Festivalfamilie den Festivalsommer zu feiern. Nach zwei entbehrungsreichen Jahren haben gerade die jungen Generationen schon viel zu viel Kultur verpasst, ein weiteres Jahr ohne Sommer, Sonne, Musik und Eskalation können wir uns in der Festivalcrew nicht vorstellen. Wir alle brauchen das – dringend.“ Die Veranstaltenden. Und die besten Fans der Welt.

Die Festivals 2022 Programme, Infos und Tickets www.hurricane.de; www.wacken.com; www.elbjazz.de; www.deichbrand.de; www.msdockville.de