Hamburg. Ragnhild Hemsing war mit den Trondheim Soloists im Kleinen Saal zu Gast – und ließ Feen, Trolle und Helden erwachen.
Wer einmal der rauen Schönheit Norwegens mit seinen gewaltigen Fjordlandschaften begegnet ist, auf nassem Moos und Geröll durch seine geheimnisvollen Wälder wanderte und hinter jedem Baumstumpf im Nebel einen Troll zu sehen vermeinte, verbindet mit dem eigentümlichen Klang der Hardangerfiedel bestimmt ganz eigene Bilder.
Tatsächlich entführt dieses Volksinstrument Südnorwegens, das zur Familie der Kastenhalslauten gehört und wie eine Violine auch gestrichen werden kann, in märchenhafte Klangwelten. Es klingt dunkel, bauchig und schroff und passt damit so recht auch zur Atmosphäre von Edvard Griegs Bühnenmusik zu Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ mit seinen Feen und Trollen und jenem Helden, der verzweifelt nach seiner inneren Mitte sucht.
Ragnhild Hemsing: Höhepunkt war "Peer Gynts Heimfahrt auf dem stürmischen Meer“
Am Montag war die norwegische Geigerin und Expertin für das Spiel auf der Hardangerfiedel, Ragnhild Hemsing, mit den famosen Trondheim Soloists im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zu Gast. Für ihr neues, bei Berlin classics erschienenes Album „Peer Gynt“ hatte sie die beiden Peer-Gynt-Suiten Griegs vom norwegischen Komponisten Tormod Tvete Vik für Hardangerfiedel bzw. Violine und Streichorchester bearbeiten lassen. Im Konzert brauchte man schon ein paar Sekunden, um den Beginn der berühmten „Morgenstimmung“ wiederzuerkennen.
Hemsing zupfte die ersten Töne auf der vor ihr liegenden Fiedel und aus einem fremdartigen Klangteppich der hervorragenden Trondheim Soloists schälte sich erst allmählich das Ohrwurmthema dieses Satzes. Auch „Anitras Tanz“, bei dem der gestrichene Klang der Hardangerfiedel kaum mit den modernen Streichinstrumenten verschmelzen wollte, hatte etwas Archaisches. Bei den lyrischen Sätzen, etwa in „Solveigs Wiegenlied“, wechselte Hemsing dann zur Violine, wo manche Lagenwechsel und Intervallsprünge aber nicht immer so geschmeidig gelingen wollten. Ein Höhepunkt war zweifellos „Peer Gynts Heimfahrt auf dem stürmischen Meer“, bei dem die Trondheim Soloists die Windböen nur so durchs Ensemble fegen ließen und ein letztes Donnergrummeln im Kontrabass die dramatische Szene ausklingen ließ.
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Der eigenwilligen Modernität von Tormod Tvete Viks außergewöhnlicher Bearbeitung der Griegschen Klassikhits stellte das Trondheimer Streichorchester zwei zeitgenössische Werke skandinavischer Komponisten ohne Hemsing als Solistin gegenüber. Da war zunächst der „Walk to Gade“ der Schwedin Britta Byström sowie eine Streichorchesterfassung des 3. Streichquartetts vom finnischen Komponisten Aulis Sallinen, das zwischen folkloristischer Melodienseligkeit und Disharmonie, zwischen Verfremdung und polyphonen Verarbeitungstechniken so wundersam schwankte.