Hamburg. Ungewöhnliche Seminare etwa im Bucerius Kunst Forum sollen das Miteinander in Unternehmen stärken. Welches Start-up dahinter steckt.
Auf dem Gemälde hinter Iris müht sich eine Frau mit zwei Wassereimern ab. „Heute war ein Marathon für mich.“ Sie lacht verlegen und schaut zu ihren drei Kolleginnen, die nicken und ihr aufmunternd zulächeln. „Jetzt fällt gerade eine große Last von mir ab.“ Iris und ihre Kolleginnen Saskia, Shanan und Amanda haben sich im Bucerius Kunst Forum getroffen, um an einem Teambuilding der besonderen Art teilzunehmen: Das Unternehmen Arteams bietet Führungen in Museen und Firmen an, bei denen die Teilnehmer ihre Gedanken und Gefühle in einem freien Rahmen aussprechen dürfen.
Annika Landmann, die Arteams zusammen mit Lina Scheewe gegründet hat, stellt die erste Aufgabe: Die vier Teilnehmerinnen sollen ein Gemälde aussuchen, das ihre Stimmung beschreibt. Zur Auswahl stehen Werke des nordischen Expressionisten Emil Nolde.
Arteams: Kunst als Weg zu mehr Offenheit
Iris, die allein im Homeoffice gearbeitet hat, sieht sich als einsame Wasserträgerin. Die drei anderen stehen zusammen vor einem ähnlichen Bild: drei Wasserträgerinnen, die nebeneinander über ein Feld gehen. Jede soll nun erklären, warum sie sich für dieses Bild entschieden hat. „Ich ziehe gerade um. Das ist so anstrengend, wie es hier aussieht“, sagt Shanan und zeigt auf eine gebeugte Frau. Die Teilnehmer des Teambuildings sollen sich öffnen und die Ebene des professionellen Small Talks in der Büroküche verlassen. So sollen sie sich besser verstehen.
Die kunstpädagogische Theorie hinter der Methode: Beim Sprechen über Kunst und der Interpretation dieser reden Menschen ganz anders, als sie es sonst bei der Arbeit tun. Es werden Themen und Gedanken angeschnitten, über die im Büro niemand sprechen würde. So werden Aspekte der Persönlichkeit freigelegt, die den Kollegen vorher nicht klar waren. Dies soll helfen, sich auch bei der Arbeit besser aufeinander einzustellen.
Scheewe und Landmann wollen „die Wahrnehmung des anderen sichtbar machen“. Dazu setzen die beiden Kunsthistorikerinnen Teams vor ein Gemälde und stellen Fragen. Was erst einmal banal klingt, beschreibt Christian Weiß, der an zwei Workshops teilnahm, so: „Es war Augen öffnend, unterhaltsam, spannend. Wir waren miteinander auf einer anderen Ebene als im Büro, Hierarchien waren aufgehoben.“
Es sei klar geworden, wie sein Team besser zusammenarbeiten kann. „Hier besser erklären, da besser nachfragen, besser zuhören.“ Es sei ein sicherer Raum gewesen. Dies sei Grundlage ihrer Arbeit, betonen Landmann und Scheewe. „Es gibt kein Richtig oder Falsch.“ Bei ihren Workshops ist diese Botschaft einer der ersten Sätze.
Teambuilding für Unternehmen mit Kunstwerken
Im nächsten Raum sollen sich die Frauen einen Platz auf einem Bild aussuchen, an dem sie jetzt gerne wären. Alle vier wählen den farbenfrohen Strand aus. „Ich möchte jetzt dort auf dem Sand liegen. Nach dem letzten Jahr brauche ich eine Pause“, sagt Amanda und lacht. Die anderen Stimmen ihr zu. Für Scheewe und Landmann ist echte Kommunikation alles: „Ihr sollt miteinander ins Gespräch kommen. Es geht um eure Wahrnehmung: schön, hässlich, irritierend. Und darum, wie ihr die anderen danach vielleicht anders seht.“
Als letzte Station tritt die Gruppe vor Noldes Werk „Bergriesen“. Vier grobschlächtige Gestalten sitzen um einen Tisch herum und erzählen. Die Teilnehmerinnen sollen assoziieren, was ihnen dazu einfällt. Lina Scheewe erklärt: „Wir wollen bewirken, dass das kreative und assoziative Denken mehr einbezogen wird. Wir wollen, dass sich Teams mehr vertrauen, das kreative Denken in die Arbeit mit einzubringen.“
Arteams in der ersten Corona-Welle gegründet
Landmann und Scheewe haben sich während des Studiums der Kunstgeschichte in Hamburg kennengelernt. Annika Landmann, Jahrgang 83, arbeitet als Autorin und war Lehrbeauftragte der Universität Hamburg. Während des Studiums spezialisierte sie sich auf die Malerei der Moderne. Lina Scheewe, Jahrgang 81, absolvierte nach dem Studium ein wissenschaftliches Volontariat im Saarlandmuseum. Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg gründete sie mit Landmann Arteams und leitet Workshops und Fortbildungen zu Themen aus der kulturellen Bildung.
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„Wir haben Arteams mitten in der ersten Corona-Welle gegründet, im Juli 2020.“ Annika Landmann spricht mit einem verschmitzten Lächeln. „Anfangs haben wir nur vor Ort – also in den Unternehmen und Museen – gearbeitet. Als sich abzeichnete, dass uns Corona länger begleitet, fingen wir an digital zu arbeiten.“ Ihre Geschäftsparterin Lina Scheewe nickt. Die beiden Frauen haben eine Methode entwickelt, die Teams näher zusammenbringen soll – in Corona-Zeiten nötiger denn je.
Bei der Nachbesprechung ist die Stimmung ausgelassen. Iris, Saskia, Shanan und Amanda meinen sich nun besser zu verstehen. Dank der Kunst.
Die Buchung eines Workshops ist auf arteams.de möglich. Die Preise richten sich nach Teilnehmerzahl und zeitlichem Umfang und beginnen ab 290 Euro. Gemeinnützige Organisationen erhalten eine Ermäßigung. Für die Ausstellung „Minimal Art“ im Bucerius Kunst Forum bietet Arteams ebenfalls Workshops an.