Hamburg. Der Hamburger Schauspieler Michael Ehnert hat mit „Der Beschützer“ seinen ersten Actionfilm für die ARD geschrieben. Spannung gewiss.

Lässt sich Spannung über 90 Minuten entwickeln und auch halten? Für ambitionierte Drehbuchautoren muss es ein Ziel sein. Trotz der Krimi-Schwemme im deutschen Fernsehen brauchen sie oft einen langen Atem. Der Hamburger Michael Ehnert gehört zu dieser Spezies. Theatergängern ist er als bundesweit tourender und mehrfach ausgezeichneter (Solo-)Kabarettist sowie Schöpfer von Duo- und Trio-Programmen wie „Zweikampfhasen“, „Schillers sämtliche Werke … leicht gekürzt!“ und zuletzt „Grimms sämtliche Werke … leicht gekürzt!“ bekannt.

Immer schon sah sich Actionfilm-Fan Ehnert als „schreibender Schauspieler“. 23 Jahre nach seinem bis heute unverfilmten Drehbuch-Debüt mit dem Titel „Schweinebullen“ und bei inzwischen rund 20 Folgen für „Notruf Hafenkante“ im ZDF sowie weiteren Vorabend-Serien („Alarm für Cobra 11“/RTL, „Morden im Norden“/ARD) zeigt das Erste an diesem Sonnabend zur besten Sendezeit Ehnerts ersten vollwertigen Actionfilm „Der Beschützer“. Ein gar nicht mal so gewagter Sprung von 45 auf 90 Minuten.

Fernseh-Krimi: Im Mittelpunkt steht ein Personenschützer

Der Streifen, der im Oktober bereits beim Filmfest Hamburg lief, spielt auch am und rund um den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg. „Es ist mir wichtig, dass ich die Drehbücher an Orten ansiedele, die ich kenne“, nennt Ehnert, Sohn eines Polizisten aus Mümmelmannsberg, eine Maxime seiner Arbeit. Nach seiner Idee und mit dem später dazugekommenen Co-Autor Oke Stielow hat Regisseur Philipp Osthus für die Hamburger Filmproduktionsgesellschaft Wüste Medien einen schnörkellosen, über weite Strecken rasanten Thriller inszeniert. In dem steht – der Titel verrät es – ein Personenschützer im Mittelpunkt.

Dieser BKA-Mann namens Jan Schäfer (Tobias Oertel), Typ großer Bruder, wird via Nachricht auf seinem Smartphone aus der ländlichen Abgeschiedenheit seines Hofes zurück in die brisante berufliche Realität geholt. Er gerät nicht nur in den Großstadtdschungel, er muss seinen Job in einer Welt von dubiosen Geschäften und dunklen Mächten erfüllen. Beschützen soll Schäfer die ehrgeizige Fiona Weibel (Marlene Tanczik), leitende Mitarbeiterin einer Schweizer Reederei.

Elektronische Musik erzeugt zusätzlichen Nervenkitzel

Deren Chef ist im ägyptischen Port Said vor ihren Augen erschossen worden, sie konnte dem Killerkommando gerade noch entkommen und wird nach Deutschland geflogen, um vor dem Seegerichtshof gegen ihren Arbeitgeber auszusagen. Als Kronzeugin. Die Reederei wird beschuldigt, illegal giftige Substanzen, getarnt als Düngemittel, in den Nahen Osten zu transportieren, wo sie zur Gewinnung von Giftgas dienen. Hört sich komplexer an, als es aussieht.

Agieren die Täter in Ägypten noch mit Schalldämpfern, geht es auf norddeutschem Boden bei Schießereien und Verfolgungsjagden, aber auch bei Debatten zum Thema Recht und Gerechtigkeit meist etwas lauter zu. Die stimmige elektronische Musik von Maurus Ronner erzeugt von Beginn an zusätzlichen Nervenkitzel. Wem kann man hier noch trauen? Diese Frage stellen sich Autor Ehnert und Co. öfter. Das Erzähltempo ist hoch – die Zeit, den Protagonisten näherzukommen, bleibt ob der wechselnden Bedrohungsszenarien knapp.

"Der Beschützer": Spielt die Kronzeugin ein doppeltes Spiel?

Und doch ist es interessant zu verfolgen, wie Personenschützer und Kronzeugin eine Beziehung zueinander aufbauen (müssen) – ohne dass in diesem handlungsgetriebenen deutschen Drama mit internationalem Einschlag kitschig-romantische Gefühle aufkommen wie etwa vor 30 Jahren im Kino-Hit „Bodyguard“ mit Kevin Costner und Whitney Houston. Tobias Oertel, bekannt aus den Reihen „Der Bozen-Krimi“ (ARD) und „Soko Leipzig“ (ZDF), gibt seinen Schäfer als melancholischen, nahezu gebrochenen Stoiker, der sich der ihm Anvertrauten zögerlich öffnet. Marlene Tancziks Fiona changiert als Whistleblowerin Weibel gekonnt zwischen angsterfüllter Reumütigkeit und cooler Berechnung. Spielt die Zeugin ein doppeltes Spiel?

Gedreht wurde „Der Beschützer“ übrigens während des sogenannten Lockdowns light im November und Dezember 2020. Und obwohl die Leuphana Universität in Lüneburg mangels Drehgenehmigung am Originalort in Hamburg als Kulisse für den Internationalen Seegerichtshof herhielt, dürfte so mancher einige Straßen und Ecken der Me­tropolregion Hamburg wiedererkennen. Dazu mit Stephan Schad als hanseatisch trockenem BKA-Chef Ihlenburg einen weiteren aus der Stadt (Thalia und St. Pauli Theater) bekannten Bühnen-Schauspieler. Für Michael Ehnert indes, den schreibenden Schauspieler, soll der erste „Beschützer“-Film möglichst Auftakt einer Reihe bilden – hofft er. In der Titelfigur Schäfer jedenfalls schlummert noch Potenzial. Er lebt ja weiter.

„Der Beschützer“ Sonnabend, 20.15 Uhr, ARD