Hamburg. In der Elbphilharmonie war die Popreihe „Acoustics“ zu erleben. Der jüngste Gast des Abends sorgte für besondere Aufmerksamkeit.
Wie lässt sich das geistige und seelische Grundnahrungsmittel Kultur in Pandemie-Zeiten lebendig halten? Viel ist in den vergangenen zwei Jahren von – unbedingt notwendigen – finanziellen Mitteln die Rede. Doch wie essenziell das Kulturerleben an sich ist, das ist am Mittwoch im Kleinen Saal der Elbphilharmonie überdeutlich zu spüren.
Zu Gast ist die Hamburger Popreihe „Acoustics“ mit den Bands Klan, Novaa und The Flavians, die ihre Songs für diesen besonderen Anlass zum Teil ganz neu arrangiert haben. Leisetretender, feinsinniger, akzentuierter. Ein Konzertabend wie eine emotionale Überbrückungshilfe. Bis endlich Sommer ist. Bis Livemusik hoffentlich wieder unbeschwerter möglich ist. Zum Beispiel auf dem Lattenplatz vor dem Knust zwischen Schanze und Karoviertel, wo die „Acoustics“ immer ab Juni seit nun mehr zwölf Jahren zuhause sind.
Elbphilharmonie: Klan wird angefeuert, auch von einem Baby
„Ich bleibe hier jetzt erst einmal zehn Minuten stehen und genieße das“, sagt Veranstalter Siebeth Darm breit grinsend angesichts der vollen Saals. Schnell kündigt er mit The Flavians dann doch die erste Band an und lässt sein obligatorisches „Macht mal Lärm!“ ertönen. Heftiger Jubel brandet auf für das in Berlin ansässige Quartett aus Schweden, Tschechien und England. Sie spielen gerne in Hamburg, erzählt Gitarrist und Sänger Liam Blomqvist und erinnert sich an Wohnzimmerkonzerte und einen Auftritt im Molotow auf St. Pauli. Solche Stationen fehlen aufstrebenden Bands derzeit massiv. Was die „Acoustics“-Session in der Elbphilharmonie umso wichtiger macht.
Die vier beglücken mit Handclap-Charme und Harmonien, in denen einem feine Beatles- und Beach-Boys-Anleihen entgegenwehen. Ein sachtes Ziehen und Driften, das das Gemüt angenehm durchlässig macht. Und somit bestens empfangsbereit für den sphärischen Traum, den die Sängerin und Produzentin Novaa im Anschluss entfaltet.
Konzert in Elbphilharmonie: Wuchtige Energie zum Finale
Gemeinsam mit Alexandra Kwast an der Harfe, Verena Post am Flügel und Theresa Stark am Schlagzeug überführt sie ihre ansonsten elektro-induzierten Songs in einen warmen akustischen Schwebezustand. Novaa macht Musik zum Atmen, auch wenn es gerade schwerfällt. Der Sound ist mitunter so fragil, dass er zu zerbrechen droht. Die Musikerin traut sich was, zum Beispiel mit dem Stück „Supernova“, das sie solo am Flügel spielt. Ein Song über eine Superheldin. Über die Stärke, die in der Schwäche liegt. Novaa treibt ihre Stimme in die Höhe. Hinaus aus der Komfortzone. Dorthin, wo es spannend wird. Und wo eine außergewöhnliche Schönheit wartet.
Eine wuchtigere Energie entfesselt zum Finale die Formation Klan, eigentlich ein Brüder-Duo an Gitarren und Gesang, nun verstärkt um Bass, Schlagzeug, Piano. „Hambuuurg! Ich will wissen, wie das klingt“, ruft Sänger Michael Heinrich im Song „Baby Baby“ und animiert das Publikum zum Mitklatschen. Stadionatmosphäre von null auf 100 mit einer Mischung aus höchst eingängigem Folkpop und aufgerautem Soul.
- Mnozil Brass: Bierzelt-Stimmung in der Elbphilharmonie
- Salonen gelingt in der Elbphilharmonie ein Kunststück
- „Chaos und Ordnung“: So klingt der Klimawandel
Klan wird angefeuert von einer hörbar großen Fanschar. Inklusive eines sehr kleinen Gastes. „Das Baby, das da geschrien hat, das ist meins“, sagt Michael Heinrich lächelnd. Die Geburt habe seine ganze Musiker-Millennial-Lebensweise ganz schön verändert, erklärt er, und leitet über zu „Gleichzeitig“. Ein Lied darüber, die Balance zu finden. Ganz zum Schluss entlässt Klan die Menge äußerst dynamisch in die Nacht – mit der groovenden Nummer „Ich bin zu teilen bereit“. Ein gutes Motto, nicht nur in diesen herausfordernden Tagen.