Hamburg. Bei der kolonialen Unterwerfung des Königreichs Benin wurden viele Objekte gestohlen. Das MARKK verabschiedet sich nun von ihnen.
„An die Vitrine mit den Objekten des Königreichs Benin erinnere ich mich genau. Und auch daran, wie traurig die gerade frisch ans MARKK gekommene Direktorin darüber war, diese kostbaren Objekte nicht ausstellen zu können“, sagt Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung auf dem Podium zur Ausstellungseröffnung „Benin. Geraubte Geschichte“.
Die „rasante Entwicklung“, dass es nun doch eine Benin-Ausstellung und darüber hinaus sogar das Versprechen der Stadt gibt, 2022 die Bronzen im Wert von etwa 60 Millionen Euro zusammen mit Beständen anderer deutscher Museen an das Herkunftsland Nigeria, genauer gesagt ans Museum von Benin City, zurückzugeben, sei Barbara Plankensteiner zu verdanken.
Ausstellung: Bronzen sollen aus Hamburg zurück nach Nigeria
In der Tat merkt man es der sonst eher zurückhaltenden Wienerin an diesem „besonderen historischen und emotionalen Tag für das Museum, die Stadt und das Land Nigeria“ an, der von großem Medieninteresse begleitet wird, wie sehr ihr Herz daran hängt.
Die gewaltsame koloniale Unterwerfung des Königreichs Benin (heute Edo State, Nigeria) durch britische Truppen im Februar 1897 markierte das Ende eines der mächtigsten westafrikanischen Königreiche. Eine der Folgen war die weltweite Distribution von 3000 bis 5000 Objekten, die aus dem königlichen Palast geraubt wurden. Gut 170 von ihnen befinden sich heute im MARKK. Die Kunstwerke aus Bronze, Elfenbein und Holz werden häufig unter dem Begriff „Benin-Bronzen“ zusammengefasst.
Ein Akt der Gerechtigkeit und Versöhnung
„Mit der Ausstellung verabschieden wir uns von den kostbaren Exponaten und würdigen ihre hohe künstlerische Qualität sowie ihren Stellenwert in der westafrikanischen Kunst- und Kulturgeschichte“, sagte Barbara Plankensteiner. An ihren Sitznachbar auf dem Podium, Abba Isa Tijani, Generaldirektor der National Commission for Museums and Monuments, gerichtet: Die Schau sei ein „Akt der Gerechtigkeit und Versöhnung, ein Versprechen für eine neue Zukunft“.
„Benin. Geraubte Geschichte“ macht die Sammlung des Hauses seit rund 100 Jahren erstmals in der Form öffentlich. Historische Fotografien, ein im Comicstil gedrehter Film über die Geschichte des Landes und kurze, prägnante Wandtexte ergänzen eine Vielzahl beeindruckender Objekte, darunter die ersten beiden Exponate, die 1897 nach Deutschland kamen: ein sogenannter Fetischbaum, mit dem der Gott Osun geehrt wurde, und ein königlicher Gedenkkopf, den Justus Brinckmann in die Sammlung des Museums für Kunst & Gewerbe einbrachte.
Hafen spielte große Rolle bei Distribution der Werke
An dieser Stelle wird auch die Verbindung der Sammlung mit den Hamburger Handelsnetzwerken nachvollzogen. Der Hamburger Hafen war ein zentrales Eingangstor für den Transfer von Benin-Werken nach Deutschland sowie ihren Handel in Europa. Nach der Plünderung durch die britischen Kolonialtruppen 1897 wirkten Agenten Hamburger Handelshäuser und deutsche Schiffsleute maßgeblich an der Verteilung der Kunstwerke mit.
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Doch was hat dieser immense Kunst- und Kulturraub mit dem Land und seinen Bewohnern gemacht? Auch hierauf richtet sich der Blick, will die Schau ein Verständnis für die Wichtigkeit der Rückgabe nach Nigeria wecken und ein Bewusstsein dafür schaffen, wie bedeutend afrikanische Kunst für ein Verständnis der Menschheitsgeschichte ist. Eine Altarfigur in Form eines Hahns, die die ranghöchste Frau einer Familie symbolisiert oder Rasselstäbe, die nach dem Tod des Vaters vom Sohn geschnitzt und an den Ahnenaltar zu den anderen gelehnt wurden, machen die historische und identitätsstiftende Bedeutung der Werke sichtbar.
Viele zeitgenössische Künstler setzen sich in ihren Arbeiten mit dem Verlust historischer Werke und dem europäischen Einfluss auf ihre Kultur auseinander. So etwa Victor Ehikhamenor, der seine Kindheit und Jugend an katholischen Schulen verbrachte. Sein Wandteppich, bestehend aus Rosenkranzperlen auf Spitzentextil, ist eine Verarbeitung seiner Erfahrungen.
Rückgabe der Benin-Bronzen ist Beginn eines neuen Kapitels
Mit dem großen Engagement von Barbara Plankensteiner, das zur Restitution führen wird, sei eine „wichtige Grundlage geschaffen für einen globalen Austausch über Kultur auf Augenhöhe“, so Kultursenator Carsten Brosda.
Es ist ein Meilenstein in der Auseinandersetzung mit kolonialer Geschichte und Verantwortung, den Barbara Plankensteiner gesetzt hat. Schon 2007/08 sorgte sie mit der Wiener Ausstellung „Benin. Könige und Rituale“, die durch ganz Europa und Nordamerika tourte, für Aufsehen. „Doch damals war klar, dass sie aus politischen Gründen nicht in Nigeria gezeigt werden konnte“, so die Direktorin. Die Übergabe der Bronzen nach Benin City ist also streng genommen kein Abschied, sondern der Beginn eines neuen Kapitels.
„Benin. Geraubte Geschichte“ ab 17.12., MARKK (U Hallerstraße), Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10.00-18.00, Eintritt 8,50/4,50 (erm.), www.markk-hamburg.de