Hamburg. In „No Way Home“ gerät das ganze Comic-Universum auf eine raffinierte Meta-Ebene. Wo der Film in Hamburg läuft.
Wie ist das eigentlich für die früheren Spider-Man-Darsteller, wenn ein neuer Film mit dem Superhelden rauskommt? Neulich waren sie zusammen zu Gast in der Talkshow von Jon Kimmel: Tobey Maguire, Andrew Garfield und Tom Holland: alle Spinnenmänner der letzten 20 Jahre. Traut an einem Tisch. Und es wurde viel gelacht. Das war natürlich die beste Werbung für den neuen Film „No Way Home“, in dem der amtierende Spidey Tom Holland es mit der gesamten Vorgeschichte dieser Figur zu tun bekommt. Und der Film so eine umwerfend raffinierte Meta-Ebene erhält.
„No Way Home“ beginnt da, wo „Far From Home“ vor zwei Jahren aufgehört hat. Also mit dem unfreiwilligen Outing, dass Spider-Man die Maske vom Kopf gerissen wurde. Nun weiß alle Welt, dass der verhuschte Teenie Peter Parker der Spinnenmann ist. Mit der Anonymität ist es vorbei. Überall wird ihm aufgelauert, wird ihm zugesetzt. Das kriegen auch seine Nächsten und Liebsten zu spüren.
„No Way Home“ im Kino: Spider Man trifft auf alte Bekannte
Letzte Hilfe erhofft sich Peter von seinem Superheldenkollegen Dr. Strange (Benedict Cumberbatch). Und der könnte wirklich mit seinen magischen Kräften am Rad der Zeit drehen und die Menschen vergessen lassen, dass Peter Parker die Spinne ist. Das würde aber auch bedeuten, dass seine geliebte M-J (Zendaya) das nicht mehr wüsste. Schon will Peter eine Ausnahme machen. Und noch ein, zwei weitere. „Nicht am Zauber rumpfuschen!“, befiehlt Strange noch. Aber da ist es schon zu spät.
Alle wissen nach wie vor von Parkers Doppelidentität. Aber nicht nur in diesem Universum. Der Junge hat mal eben die Stabilität der Raumzeit durcheinandergewirbelt. Und plötzlich treten ein paar gute alte Bekannte auf: der Grüne Kobold (Willem Dafoe) aus dem allerersten „Spider Man“-Film von 2002 und Doc Oc (Alfred Molina) aus dem zweiten von 2004. Beide wurden seinerzeit von Spider-Man ausgeschaltet. Nun aber kommen sie aus dem Multiversum, um sich zu rächen. Beiden gelingt es auch, Spider-Man die Maske vom Leib zu reißen. Aber beide halten überrascht inne: „Du bist nicht Peter Parker!“
Jon Watts pfuscht kräftig am Spider-Man-Universum herum
Das ist der Hä?-Moment des Films. Nicht nur für den Helden. Sondern auch für den Zuschauer. Aber klar: Die beiden kämpften ja seinerzeit nicht gegen Tom Holland, sondern gegen Tobey Maguire. Hollands Peter kann sie also auch gar nicht kennen. Später kreuzen auch noch die Bösewichter aus den „Amazing Spider-Man“-Filmen von 2012 und 2014 auf. Und machen das Chaos perfekt. Denn auch die erkennen Spider-Man nicht wieder. Denn sie hatten es ja mit Andrew Garfield zu tun.
Nicht am Zauber rumpfuschen? Von wegen! Der Film von Jon Watts pfuscht kräftig am Universum des Spinnenmanns herum. Und führt das Ganze auf eine völlig neue Gedanken-Ebene, die letztlich viel spannender und gehaltvoller ist als der übliche Actionsalat. Der wird hier natürlich auch wieder angerichtet. Aber viel schöner ist, dass hier alle Figuren mit der Absurdität umgehen müssen, die der Kinozuschauer ja schon länger kennt: dass es nicht nur einen Spider-Man gibt, sondern dass die Geschichte immer wieder neu und immer wieder anders erzählt wird. Dass Peter Parker immer anders zu seinen Kräften kommt. Und immer wieder ein anderes Mädchen liebt.
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Spider Man: „No Way Home“ setzt Vorwissen voraus
„No Way Home“ setzt allerdings viel voraus: Man muss sich gut auskennen, nicht nur im aktuellen Universum von Tom Hollands drei „Spider-Man“-Filmen, sondern auch in den fünf seiner beiden Vorgänger. Wer da keine Ahnung hat, ist verloren. Wer aber auch nur ein bisschen in der Materie steckt, wird kräftig belohnt. Weil sich das Genre damit grandios ironisch selbst in Frage stellt.
Die letzten Marvel-Comic-Verfilmungen „Shang-Chi“ und „Eternals“, haben nur noch Superhelden aus der dritten Reihe rekrutiert, die selbst eingefleischte Fans von Comicheften kaum kennen. Und mit denen sollte der nach wie vor grassierende Comic-Hype einfach weiter gemolken werden. „No Way Home“ dagegen hebt das ganze Genre auf eine neue Ebene und ist damit nichts weniger als eine Neuerfindung der Reihe, mit der man schon nicht mehr gerechnet hat.
Dabei gibt es noch einige echter Schocker und Überraschungen, die hier nicht verraten werden sollen, das Ganze aber zu einem irrsinnigen, komplexen Gedankenspiel ausweiten. Als hätten die Drehbuchautoren wie ihr Dr. Strange mit seinen Zauberringen gekreist. Der Mehrwert ist immens, der Spaß ein doppelter und dreifacher. So darf am Zauber bitte gern weiter rumgepfuscht werden. Denn so entsteht ein ganz neuer Zauber.
„Spider Man“ USA 2021 148 min., von Jon Watts mit Tom Holland, Zendaya, Benedict Cumberbatch, Willem Dafoe, Marisa Tomei. Läuft im Savoy (OV), in den UCI-Kinos und in den Cinemaxx-Kinos