Hamburg. Neu im Kino: „Plan A“ erzählt von einer jüdischen Untergrundorganisation, die Jagd macht auf Nazis. August Diehl spielt die Hauptrolle.
Am Anfang steht eine schockierende Frage, und sie wird direkt an den Zuschauer gestellt: „Was, wenn ich dir sagen würde, dass deine Familie ermordet wurde. Einfach alle. Und das ohne jeglichen Grund. Und jetzt frag dich: Was würdest du tun?“
Der jüdische KZ-Überlebende Max (August Diehl) steht in den ersten Tagen nach Kriegsende vor seinem Haus, in dem nun eine andere Familie wohnt. Er wird mit einem Gewehr vertrieben. Und mit der Drohung, der Krieg sei zwar vorbei, aber Juden könne man immer noch jagen. Später wird er erfahren, dass seine Frau und sein Kind umgebracht wurden. Er hat nichts mehr, was seinem Leben Sinn geben könnte.
Familie von den Nazis ermordet: Rache ist sein letzter Antrieb
Aber dann stößt er auf eine jüdische Brigade, die Jagd macht auf Nazis und diese kurzerhand umbringt. Um der Welt zu zeigen, dass die Juden in der Lage sind, sich zu wehren. Max wird einer von ihnen. Rache ist der letzte, der einzige Antrieb, den er noch hat. Eines Tages aber kommt die Brigade zu spät, ein Nazi wurde schon aufgehängt. Und das hebräische Wort „Nakam“ (für Rache) steht an einer Wand geschmiert. Max begreift, dass hier noch eine andere, weit radikalere Gruppe tätig ist.
Er findet diese Untergrundbewegung, drängt sich ihnen auf. Erfährt von ihrem Plan und will helfen, ihn umzusetzen: in mehreren deutschen Großstädten das Trinkwasser vergiften. Das Ziel: sechs Millionen tote Deutsche als Blutzoll für ebenso viele tote Juden. Weil sie den Holocaust als Kollektivschuld der Deutschen sehen. Dabei müssen sich die Nakam-Kämpfer nicht nur vor den Deutschen verbergen, eine andere jüdische Organisation will ihren Anschlag vereiteln: die Hagana, die für die Gründung eines israelischen Staates kämpft. Die größte Rache der Juden, so ihr Standpunkt, wäre ein eigener Staat. Sollten aber Juden ihrerseits einen Massenmord begehen, wäre diese Chance auf ewig vertan.
Bis heute weiß man kaum etwas von der Nakam-Gruppe
Als Quentin Tarantino 2009 seine „Inglourious Basterds“ drehte (ebenfalls mit August Diehl), da hielt man seine jüdische Todesbrigade noch für eine typische Rachefantasie des Pulp-Regisseurs und mochte gar nicht glauben, dass es so etwas wirklich gegeben hat. Noch unglaublicher ist, dass man bis heute kaum etwas von der Nakam-Gruppe weiß, deren Plan A zwar gerade noch verhindert werden konnte, die einen Plan B aber doch umsetzen konnte.
Das Filmdrama „Plan A“ schließt nun diese Lücke: ein Film der israelischen Brüder Yoav und Doron Paz, Nachkommen von Holocaust-Überlebenden, die dieses Geschichtskapitel mit einem deutsch-israelischen Team aufgearbeitet haben. Eine wahre Geschichte, die zugleich berührt und schockiert. Schade nur, dass der Film recht konventionell ist, das Drama hätte größere Kinobilder verdient. Das Thema ist aber allemal wichtig: Jüdische Rache ist als Narrativ noch immer äußerst selten. Und alle Skepsis und Zweifel, die man in Bezug auf diese Nakam-Gruppe haben kann, spielt August Diehl überzeugend in seiner Figur aus. Immer wieder wird sein Max gefragt, wieso die Juden sich nicht gewehrt haben.
Und die Frage vom Anfang, sie wird am Ende noch mal gestellt. Der Zuschauer wird aus diesem Gewissenskonflikt nicht entlassen.
„Plan A – Was würdest du tun?“ 110 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Passage, Zeise