Hamburg. Thomas Collien und Ulrich Waller vom St. Pauli Theater wagen den vierten Versuch des Neujahrskonzerts in der Elbphilharmonie.
Es war ein Novum in der inzwischen knapp fünfjährigen Geschichte des großen Hamburger Konzerthauses: Am 2. Januar 2020 musste mit der Veranstaltung „St. Pauli Theater meets Elbphilharmonie“ erstmals ein Konzert abgebrochen werden. Ein technischer Defekt an einem angemieteten Ton-Mischpult machte eine reibungslose Durchführung unmöglich - 2100 Gäste mussten nach Hause geschickt werden.
Mit fast denselben sechs Show-Acts wie damals - Tim Fischer tritt anstelle von Volker Lechtenbrink auf – wollen Thomas Collien und Ulrich Waller, die Leiter des St. Paulis Theaters, das Konzert im Großen Saal am 3. Januar 2022 endlich über die Bühne bringen, unter strengen 2G-Bedingungen, mit Maskenpflicht am Platz und mit einer Zusatzvorstellung am Nachmittag. Warum die beiden Macher dennoch auf das Motto „… denn dort an der Elbe, da wartet mein Glück“ setzen, erläutern sie im Doppel-Interview.
Hamburger Abendblatt: Im letzten Satz ihres Grußwortes zum Neujahrskonzert am 2. Januar 2020 schrieben Sie mit Bezug aufs Künstleraufgebot: „Reizvoller als in dieser Konstellation kann das Jahr nicht beginnen“ … Der Abbruch wegen des Tonausfalls war letztlich Auftakt eines Seuchen-Jahres!
Thomas Collien: Das kann man wohl sagen, wobei ich versichern kann, dass wir weder für den Tonausfall noch für die Pandemie verantwortlich sind.
Ulrich Waller: Es war wie ein Menetekel. Wie sagte doch unsere sphinxhafte Moderatorin Gerburg Jahnke in der Elphi: „Lassen Sie uns einfach das ganze System runterfahren und dann neu starten“. So hatte sie das sicher nicht gemeint.
Dennoch wollten Sie das Konzert „St. Pauli Theater meets Elbphilharmonie – reloaded“ ursprünglich schon nach dem ersten Lockdown am 2. Juli 20 nachholen – die Allgemeinverfügung der Gesundheitsbehörde sprach dagegen. Beim zweiten Ersatztermin am 2. Januar dieses Jahres waren wir mitten im postweihnachtlichen Lockdown, im Juli ging es auch noch nicht. Verflucht man da als Veranstalter nicht seine Idee, ein Hamburg-Allstar-Ensemble plus Gitte Haenning auf großer Bühne zu präsentieren, noch dazu mit dem Untertitel „…. denn dort an der Elbe, da wartet mein Glück!“?
Waller: Die Idee ist doch nach wie vor gut. Und nach der Pandemie noch besser. Das konnte doch niemand ahnen, dass nach der Pandemie auch wieder vor oder mitten in der Pandemie sein würde. Man sollte doch manchmal die Weisheiten des alten Sepp Herberger studieren.
Collien: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich glaube, wir sind nicht die einzigen, die anfänglich ganz optimistisch durch die Krise geschippert sind. Unsere Branche ist seit März 2020 vielleicht nicht gerade der optimale Traumberuf.
Der leider kürzlich gestorbene Volker Lechtenbrink, der auf der Bühne als erster Sänger mit den Tonproblemen zu kämpfen hatte, sagte im Januar 2020: „Man wird hier zum einsamsten Menschen der Welt.“ Wie einsam und verlassen haben Sie sich zwischenzeitlich gefühlt?
Waller: Theater ist und bleibt ein Gemeinschaftserlebnis. Das haben wir gerade wieder bei der Premieren-Gala im Hansa-Theater und auch bei einem Gastspiel mit ,Monsieur Claude’ in der Schweiz erfahren, als die Schauspieler wie betrunken von der Bühne kamen. Nach 18 Monaten das erste Mal wieder vor vollem Haus zu spielen, hat sie völlig umgehauen.
Wie aufwendig ist es, immer wieder neue Termine zu planen?
Collien: Die Elbphilharmonie hat uns Termine freigeschaufelt, in dieser Lage hat uns jeder unterstützt. Mit Marketing, Vertrieb, Technik, künstlerischem Betriebsbüro, Intendanz und Assistenten sind insgesamt jeweils rund 20 Personen vom St. Pauli Theater beteiligt. Und die mit uns befreundeten Künstler haben alles getan, wieder dabei sein zu können.
Waller: In der ,Elphi’ auftreten zu dürfen ist nach wie vor ein Ereignis, das für jeden in seiner Biografie ein besonderes Datum sein wird. Manchmal muss man dafür eben etwas länger warten.
- Kleine musikalische Freudehüpfer mit Hengelsbrocks Chor
- Großartiger Abschluss des Hamburger „Nordlied“-Festivals
- Spontaner Dirigentenapplaus für den Solisten des Abends
Am 3. Januar 2022 folgt der vierte Versuch, diesmal mit einem Zusatzkonzert am Nachmittag. Wie zuversichtlich sind Sie, die Doppel-Veranstaltung trotz andauernder Pandemie über die Bühne bringen zu können?
Waller: Wir sind zuversichtlich, dass die beiden Konzerte stattfinden, die Hamburger Sieben-Tage Inzidenz unter Geimpften und Genesenen ist ja niedrig, und wir werden natürlich je nach der aktuellen Infektionslage und Verordnungen reagieren. Am besten informiert man sich kurz vor dem Konzerttermin auf unserer Homepage (www.st-pauli-theater.de). Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, wenn man getestet erscheint.
Collien: Immerhin haben wir einen Rekord für das Guinnessbuch der Rekorde aufgestellt. Das ist der vierte Termin nach nun bereits drei Absagen. Also die Verlegung von der Verlegung von der Verlegung. Es ist ein Blick in die Kristallkugel, wobei diese inzwischen fast aus Milchglas besteht. Die ganze Veranstaltungsbranche braucht langfristigere und zuverlässigere Aussagen von Bund und Land. Ansonsten lassen sich Termine bald weder finanziell noch mental bewerkstelligen.
Und was für ein Ton-Mischpult nutzen Sie diesmal? Das angemietete und dessen Defekt war ja vor knapp zwei Jahren verantwortlich für den Abbruch des Konzerts…
Collien: Es wird zu dem vorhandenen Pult noch ein Havarie-Pult geben, und ich habe vorsorglich bereits im Jahr 2020 ein Megafon gekauft.
Karten und Info |
„St. Pauli Theater meets Elbphilharmonie – reloaded“ heißt es am 3. Januar 2022 um 15 und 20 Uhr (Restkarten) in der Elbphilharmonie, Großer Saal, unter 2G-Bedingungen, fürs Abendkonzert mit Registrierung per Luca-App. Gäste ohne Luca-App werden gebeten, ein ausgefülltes Kontaktdatenformular mitzubringen. (Download: www.st-pauli-theater.de, Programm Elbphilharmonie). Karten zu 28,50 bis 140 Euro in der Hamburger-Abendblatt-Geschäftsstelle, Gr. Burstah 18–32, Ticket-Hotline T. 30 30 98 98. |