Hamburg. Der Schweizer Sänger Dagobert war in Hamburg zu Gast. Doch der Abend wirkte unstimmig. Nach dem Konzert blieben viele Fragen.

Wenn Publikumsanimation schiefgeht: „Hamburg, ich kann euch nicht hören!“, ruft der Schweizer Sänger Dagobert beim Kampnagel-Konzert in den Saal. Und man kann nicht anders, man denkt: „Kein Wunder!“ Die Halle ist nur zu einem Bruchteil gefüllt, lautstarke Begeisterung kommt da nicht auf. Wobei, vielleicht passt das ja gerade zur eigenartigen Bühnenperformance des Enddreißigers.

Auf den ersten Blick mag Lukas Jäger, wie Dagobert bürgerlich heißt, ironisch gebrochenen Schlager Berliner Prägung spielen, Musik, die eigentlich das große Publikum braucht. Aber irgendetwas stimmt nicht: Da steht ein groß gewachsener, dünner Mann auf der Bühne, Lederhose, langer Mantel, Gel in den Haaren, und animiert das Publikum, zum Halbplayback mitzuklatschen, das ist Popkonvention.

Konzertkritik: Dagoberts Gesten sind unpassend

Doch Dagoberts Gesten sind einerseits perfekt einstudiert, andererseits seltsam unpassend: ein bisschen verzögert, ein bisschen unsicher. Und die großen „Oh-oh-oh“-Chöre mögen zum wuchtigen Schlagerrhythmus gehören, nicht aber zum spärlichen Hipsterpublikum mit seiner hohen Bart-, Brillen- und Dutt-Dichte.

Ein wenig wirkt die Kunstfigur Dagobert wie ein wohlerzogener, gut aussehender junger Mann im Fernsehkrimi, der einem eigenartig übertriebene Liebesschwüre ins Ohr haucht – bis man ahnt, dass dieser junge Mann Leichenteile in der Tiefkühltruhe lagert. Als Konzert ergibt das eine nur schwer einzuordnende Mischung aus Witz und Ernst, aus Blödsinn und tieferer Bedeutung, die einem den Boden unter den Füßen wegreißt: „Frauen sind zum Heiraten da / Dachte ich, als ich eine sah.“

Dagobert auf Kampnagel: Ein seltsames Konzert

Da kippt dann ein muskulöser Elektrorocker wie „Wunderwerk der Natur“ in eine sanfte Pianoballade (für die Jäger dann auch das Halbplayback abstellt und sich an ein lächerlich winziges Keyboard vor Blumenbouquet setzt), aber irgendwie hat sich der Sound gar nicht verändert. Was man davon halten soll? Weiß man nicht.

Ein seltsames Konzert. Was freilich nichts daran ändert, dass ein Song wie der Familienalbtraum „Jäger“ wunderschöner New-Wave-Pop ist: „Mama geht’s gut / Papa geht’s auch gut / Obwohl, nicht mehr ganz so gut / Aber immer noch ziemlich gut.“ Herzzerreißend. Und irgendwie auch erschreckend.