Hamburg. Sebastian Zimmler führt Regie und spielt im Ein-Personen-Stück „Neon in alter Vertrautheit“. Premiere ist am 12. November.

Thalia-Schauspieler Sebastian Zimmler trinkt Kamillentee: Aus der Verleihung des Rolf-Mares-Preises, bei der er den Preis als herausragender Darsteller für die Rolle des Jakub Shapiro in „Der Boxer“ erhielt, wurde doch ein langer Abend. Nun konzentriert er sich ganz auf sein Regie-Debüt, in dem er selbst solo auf der Bühne steht. Am 12. November feiert „Neon in alter Vertrautheit“ nach einer Erzählung von David Foster Wallace Uraufführung im Thalia an der Gaußstraße.

Wie kamen Sie auf die Idee eines Solos und dazu ausgerechnet mit einem Text dieses sprachlich sehr komplexen Autors?

Sebastian Zimmler: Ich fand schon nach dem ersten Lesen vor fünf Jahren, dass die Erzählung auf die Bühne gehört. Dafür braucht es eine visuelle Ebene und eine Art Blackbox. Die gibt es in der Studiobühne.

Die Erzählung ist ja eher deprimierend. Was fasziniert Sie an diesem Stoff?

Sebastian Zimmler: Die Geschichte ist schon düster aber sie ist zugleich eine Hommage an das Leben. Wenn wir vergessen, wie man stirbt, vergessen wir, wie man lebt. Ich kenne keinen Autor, der so witzig über Depressionen und Süchte schreiben kann. Hier ist es nicht so humoristisch. Es geht darum, dass wir alle uns als Mittelpunkt des Universums empfinden. Das ist bei uns allen gleich verdrahtet in der Festplatte.

Und wie sieht das bei dem Protagonisten Neal aus?

Sebastian Zimmler: Bei ihm ist die Selbstzentriertheit potenziert. Er definiert sich nur darüber, was die anderen denken und wie sie ihn sehen. Daran ist er so krachend gescheitert, dass er sich nicht mehr authentisch gefühlt und den Freitod gewählt hat. Und dann lässt David Foster Wallace diesen Menschen zu uns sprechen aus einer kosmischen Zeit. Mit seinem Arsenal an Intellekt und Wissen versucht er sich vorzustellen, wie es ist nach dem Tod. Sind da alle Gedanken, die jemals gedacht wurden, präsent? Das ist eigentlich ein total schöner Gedanke, weil wir rauskommen aus unserem Ich-Knast und uns in jedem anderen widerspiegeln können.

Der Erzähler sagt von sich, er sei ein Heuchler. Als Schauspieler ist das ja, überspitzt formuliert, eine Art Grundhaltung. Ist der Abend auch eine Selbstreflexion?

Sebastian Zimmler: Das ist ein Grund, warum ich die Geschichte auf der Bühne verorten wollte. Ich komme als Schauspieler authentisch rüber, wenn ich sehr gut lüge.

Die Inszenierung sollte ja schon im Sommer Uraufführung feiern. Warum wurde sie kurzfristig abgesagt?

Sebastian Zimmler: Drei Tage vor der Premiere gaben die Erben, die sich lange nicht verhalten hatten, die Rechte nicht raus. Ich habe dann einen langen Brief geschrieben. Wir haben die Inszenierung abgefilmt, die Fassung geschickt und vor sechs Wochen kam die Zusage.

Wie sieht Ihre Fassung aus?

Sebastian Zimmler: Wir haben herausgestrichen, was typisch amerikanisch ist. Die Anekdoten, die erzählt werden, stammen teilweise aus meinem Leben, um die literarische Figur so nah wie möglich an mich heranzuholen. Die Leute werden Kopfhörer tragen, dann komme ich gleich in die Köpfe rein.

Die Regie-Idee mit der Video-Installation ist ja technisch sehr aufwendig. Wie funktioniert das?

Sebastian Zimmler: Wenn man auditiv so nah an den Menschen ist, werden die Projektionen schärfer. Ich erzähle die Geschichten aus dem Überraum einer kosmischen Zeit heraus. Das muss man erleben, indem einem der Text wirklich ins Ohr träufelt. Ich bin eigentlich lieber mit mehreren Leuten auf der Bühne und mache mich da schon ganz schön nackig. Das aber mal zu riskieren ist auch gut.

„Neon in alter Vertrautheit“ Uraufführung 12.11., 20.00, Thalia Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten (2G) unter www.thalia-theater.de