Hamburg. Im Kunsthaus Hamburg sind bisweilen ziemlich giftig-satirische Videoarbeiten und Installationen von Ilana Harris-Babou zu sehen.

Die Musik ist zurückhaltend, die Stimme sanft. Sheila Harris kündigt an, dass sie das Publikum jetzt an ihrem Reinigungsritual teilhaben lassen werde, man ist gespannt. Und als erstes reinigt Harris – den Spiegel. Mit einem feuchten Tuch. Und dann reinigt sie ihr Gesicht, dafür verwendet sie so etwas Ungewöhnliches wie – Seife. Man hatte erwartet, in den intimen Alltag einer Influencerin mitgenommen zu werden, aber auf so viel Alltag war man nun doch nicht gefasst.

Ilana Harris-Babou, die Tochter der Pseudo-Influencerin, dreht Videos im Stil von YouTube-Tutorials, „Decision Fatigue“ (2020) karikiert die das Internet flutenden Schminkanleitungen, wie sie insbesondere von Jugendlichen konsumiert werden.

Hamburg-Mitte: Ausstellung verbindet Elemente

Hier allerdings irritieren kleine Abweichungen – verwendet werden keine hochwertigen Kosmetika, sondern Junkfood, die eingesetzten Utensilien sind alles andere als exklusiv, und Harris ist auch keine junge Schönheit. Die Mutter der Künstlerin ist nicht unattraktiv, aber ihre Hände sind faltig, ihre Haut hat erweiterte Poren. Und plötzlich wirkt die vorgebliche Intimität der Ansprache schal, das Vertrauensverhältnis zwischen Performerin und Publikum gekünstelt.

Harris-Babous Ausstellung „Reines Vergnügen“ im Kunsthaus koppelt die Videos mit raumgreifenden Installationen: Bei „Decision Fatigue“ mit Tiegeln und Töpfen aus glasierter Keramik, beim ähnlich aufgebauten Heimwerker-Tutorial „Finishing A Raw Basement“ sind es Werkzeugimitationen, die an den Pro­ble­men einer Haussanierung konsequent scheitern. Wenn man mit einem Keramikhammer einen Nagel in die Wand schlagen möchte, dann ist klar, wer hier den Kürzeren zieht.

Rassismus und Kolonialismus im Vordergrund

In „Finishing A Raw Basement“ wird abwechselnd von „Reparatur“ und „Reparation“ gesprochen, was eine Spur zum Verständnis von Harris-Babous Kunst gibt. Reparationen bezeichnen (meist finanzielle) Wiedergutmachungen von erlittenem Unrecht, und die 1991 in Brooklyn geborene Künstlerin bezieht sich immer wieder auf Rassismus, Kolonialismus und die Geschichte des Sklavenhandels.

In der teilweise an ein PR-Video, teilweise an eine Reisereportage erinnernden Arbeit „Human Design“ (2019) ist die Künstlerin selbst zu sehen, in der Rolle einer Inneneinrichtungs-Managerin, die der Ästhetik einer afrikanischen Holzschnitzerei nachspürt. Am Ende landet sie auf der senegalesischen Insel Gorée, wo sie die gesuchten Motive wiederfindet – im Sklavereimuseum. An der freundlich-ignoranten Anmutung des Videos ändert sich freilich nichts, die Holzschnitzerei wird am Ende vollkommen ihres Kontexts entkleidet zum Teil eines Kaffeetisch-Arrangements.

Hamburg-Mitte: Harris-Babous Kunst bleibt zugänglich

„Reines Vergnügen“ ist eine böse Ausstellung, deren Charakter sich als umso giftiger entpuppt, je intensiver man sich mit den Hintergründen auseinandersetzt. Und doch: In ihrer satirischen Stimmung bleibt Harris-Babous Kunst immer zugänglich.

Im Kunsthaus, wo ansonsten gerne mal mehrfach um die Ecke gedacht kuratiert wird, ist das ein verhältnismäßig publikumsfreundlicher Zugriff. Aber die hier geübte Kritik an Rassismus und sozialer Ungerechtigkeit funktioniert eben nur, wenn man sich vorab einlullen lässt. Von zurückhaltender Musik und sanften Stimmen.

Ilana Harris-Babou: Reines Vergnügen bis 28. November, Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, www.kunsthaushamburg.de