Hamburg. Elbphilharmonie, Thalia Theater, Herbstferien-Leseaktion: Acht Abendblatt-Empfehlungen für den Oktober in Hamburg.

Die Qual der Wahl zu haben – was für ein Luxus nach den langen und mauen Zeiten des kulturellen Stillstands. Längst aber ist der Tisch wieder überreichlich gedeckt. Musik oder Literatur, Kino oder Theater, Vernissage oder Konzert? Alles da – nur entscheiden müssen Sie selbst.

Musik in der Elbphilharmonie

Max Richter
Max Richter © MIKE TERRY | MIKE TERRY

Max Richter, das ist der mit der Filmmusik, zu hören u. a. in „Arrival“. Der mit den melancholischen, gedehnten Musik-Meditationen. So richtig passt Richters Musik in keine Genre-Schublade, also hat die Elbphilharmonie aus dieser Definitions-Not eine Tugend gemacht und ihm ein ganzes, langes, prall gefülltes „Reflektor“-Programmwochenende zur freien Verfügung spendiert. Mit der Videokünstlerin Yulia Mahr hat Richter Acts eingeladen, die zu seinem Schaffen passen – oder sich interessant an ihm reiben. Start ist ein Richter-Klassiker: der achtstündige Achtsamkeits-Soundtrack „Sleep“, bei dem der Name Programm ist: Wer möchte, kann am 7. Oktober ab 23.30 Uhr zum Livestream geruhsam wegdösen. Nach dem Wachwerden geht es tagelang weiter mit Überraschungen.

Thalia Theater

Szene aus
Szene aus "Der Idiot" © Armin Smailovic | Armin Smailovic

Vor allem die Inszenierungen von literarischen Monumentalwerken haben den Beginn dieser Hamburger Spielzeit geprägt. Und mit den Premieren ist es natürlich nicht getan: Einmal Fjodor Dostojewski und gleich zweimal Olga Tokarcuk, die polnische Literaturnobelpreisträgerin, hebt das Thalia Theater in der kommenden Woche in den Spielplan: „Der Idiot“ mit Jens Harzer (Achtung: viereinhalb Stunden!) am Dienstag und „Die Jakobsbücher“, inszeniert von Ewelina Marciniak, am Montag (mit Einführung um 18.30 Uhr) und Mittwoch. Insgesamt sparen Sie sich fast 2000 Seiten Selberlesen – was natürlich nicht der einzige Gewinn dieser Abende ist.

„Der Idiot“, 5.10., 19 Uhr, und „Die Jakobsbücher“, 4. und 6.10., jew. 19 Uhr, Thalia Theater (Alstertor), U/S Jungfernstieg, Karten zu 8–41 Euro unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de

Kinderliteratur

Comic
Comic "ZACK" © Kibitz Verlag | Kibitz Verlag

Das stadtweite Lesefest Seiteneinsteiger läuft seit Freitag und noch bis zum 31. Oktober mit zahlreichen Veranstaltungen und tollen Gästen rund ums Kinder- und Jugendbuch. Für die gemeinsame Herbstferien-Leseaktion verschenken das Hamburger Abendblatt und der Leseförder-Verein Seiteneinsteiger e. V in diesem Jahr bis zu 1000 Exemplare des Comic-Buchs „ZACK!“: Von diesem Wochenende an ist online unter www.lesefest-seiteneinsteiger.de eine dreiteilige Comic-Zeichen-Schule zum Download zu finden. Im dritten Teil können alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren eigenen Comic erstellen und per E-Mail an hamburgliest@lesefest-seiteneinsteiger.de oder per Post an an Seiteneinsteiger e. V., Stichwort: Hamburg liest!, Hallerstraße 5F, 20146 Hamburg, schicken, Betreff: Hamburg liest!, Einsendeschluss ist der 31. Oktober. Zu gewinnen gibt es eine Veranstaltung mit dem Hamburger „ZACK!“-Autor Volker Schmitt – für das Gewinnerkind und dessen Schulklasse.

Lesefest Seiteneinsteiger, bis 31. Oktober an verschiedenen Veranstaltungsorten, Infos und Programm: www.lesenfest-seiteneinsteiger.de

Ausstellung

Er war die Entdeckung in diesem Spätsommer: Söntke Campen, der junge Wilde im Jenischpark. Und wer es bis jetzt noch nicht geschafft hat, den Stipendiaten der Bargheer-Stiftung im gleichnamigen Museum zu erleben, der sollte sich schleunigst in S-Bahn, Moia, Auto oder aufs Rad schwingen. Denn seine eindrucksvolle Ausstellung „Das Prinzip Zufall“ nähert sich der Zielgeraden: Am Sonntag, 10.10., ist Finissage, danach baut Campen seine Zelte, äh: Bilder, ab.

In mehreren Zyklen hat sich der Künstler dem Prinzip Zufall gewidmet: Mal sind es Blumen, die sich, obwohl nur angedeutet, zu einem prachtvollen Strauß in den Augen der Betrachtenden arrangieren. Mal greift Campen auf historische Fotografien zurück, die er zufällig auf einem Dachboden fand und die in Öl auf Leinwand ein ganz eigenes Seelenleben entfalten. Sein „Malen mit dem inneren Feuer“ kann man in dem Schlachtengemälde „Battaglia“ nachempfinden. Und in „Schwanengesang“ scheinen die Paradiesvögel direkt aus dem Bild zu treten. Magie? Nein, Kunst!

Pop

Es ist leider längst in Vergessenheit geraten, dass nicht Bill Haley den Rock ’n’ Roll in den 50er-Jahren nach Hamburg brachte, sondern seefahrende Musiker aus der ehemaligen Kolonie Niederländisch-Indien, heute Indonesien. Der Geist der Indorock-Vorfahren ist auch in die Band Yin Yin aus Maastricht gefahren, die mit ihrem instrumentalen psychedelischen Funk-Rock an die US-Durchstarter Khruangbin erinnern. Das dürfte ein fantastischer Trip werden beim Konzert am 2. Oktober im Molotow Backyard. Im Vorprogramm spielt Pabst, Einlass erfolgt gemäß 2G-Modell.

Yin Yin Sa 2.10., 19.00, Molotow Backyard (S Reeperbahn), Nobistor 14, Karten zu 16,- im Vorverkauf; www.molotowclub.com

Literatur

Man kann jetzt, 2G sei Dank, endlich wieder in einen gut gefüllten Eddy-Lübbert-Saal gehen. 140 Leute finden also theoretisch Platz, wenn kommende Woche erst Angelika Klüssendorf (5.10.) und einen Tag später Michael Köhlmeier (6.10.) im Literaturhaus zu Gast sind. Sie wissen schon: Hamburgs stilvollster Ort für gehobene Literatur mit Alsterblick, an dem man gleichzeitig hochkulturelle und lokalpatriotische Anwandlungen bekommt. Apropos: Klüssendorfs „Vierunddreißigster September“ ist ein lupenreiner Dorfroman mit manchen bösen Menschen. Köhlmeiers „Matou“ ist ein Katzenroman. Erzählt wird hier aus der Perspektive des „Homers der Katzen“, eines tierischen Helden, der so lange lebt, dass er sich den großen Fragen der Menschheit widmen kann.

Angelika Klüssendorf, 5.10., und Michael Köhlmeier, 6.10., je 19.30 Uhr, Literaturhaus (Schwanenwik 38), U Mundsburg, Karten zu 12/8/5 Euro unter www.literaturhaus-hamburg.de

Kino

Stark besetzt! Kurz vor dem regulären Kinostart am Donnerstag läuft im Passage der Zukunftsthriller „Das Haus“ im Rahmen des Filmfests. Die Handlung der Dystopie spielt in Deutschland im Jahr 2029. In der Bundesrepublik hat mittlerweile die künstliche Intelligenz die Kon­trolle über das Leben übernommen. Journalist Johann (Tobias Moretti) ist von der regierenden rechtspopulistischen Partei mit Berufsverbot belegt worden und zieht sich mit seiner Frau Lucia (Valery Tscheplanowa) in ein Wochenendhaus zurück, das er voll vernetzt hat. Die politische Situation im Land geht den Bach herunter, das Smartphone des Paares verfolgt eine eigene Agenda, plötzlich stehen zwei Terroristen vor der Tür. Regisseur Rick Ostermann hat hier eine Kurzgeschichte von Journalist Dirk Kurbjuweit verfilmt. Produziert wurde das Drama von der Hamburger Wüste Film. Gedreht wurde in Hamburg und in der Nähe von Stockholm. Im Kino erwartet werden Regisseur Ostermann, die Hauptdarsteller Tobias Moretti und Valery Tscheplanowa sowie Produzent Uwe Kolbe.

„Das Haus“, Sa 2.10., 18 Uhr, Passage (Mönckebergstr. 17), U/S Jungfernstieg, Karten zu 9,50 Euro unter www.filmfesthamburg.de

Kindertheater

Making of Sophie Scholl 13+ Junges Schauspielhaus
Making of Sophie Scholl 13+ Junges Schauspielhaus © Sinje Hasheider | Sinje Hasheider

Diesmal sind die Räume so schön und einladend, dass man selbst als Publikum am liebsten nicht bloß zu Besuch kommen würde. Das Junge Schauspielhaus musste lange durch die Stadt vagabundieren (vom Malersaal über die Gaußstraße bis unters Dach des Mutter-Hauses), bis es nun endlich ein eigenes Zuhause gefunden hat. Am Wiesendamm in Barmbek wird das frisch gestaltete Theater für Kinder und Jugendliche an diesem Wochenende eröffnet – „Making of Sophie Scholl“ (für junge Menschen ab 13 Jahren) ist eine Stückentwicklung von Stanislava Jević und Theaterleiter Klaus Schumacher mit dem Ensemble.

„Making of Sophie Scholl“, 2.10./3.10., jew. 18 Uhr, 5.10., 19 Uhr, Junges Schauspielhaus (Wiesendamm 28), U/S Barmbek, Karten zu 14 Euro unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de