Hamburg. Leos Carax erhielt den Douglas-Sirk-Preis im Cinemaxx, wo sein düsterer Film „Annette“ Deutschland-Premiere feierte. Die Hintergründe.

Das Posieren für die Fotografen am roten Teppich fällt aus. Leos Carax, der schüchterne französische Regisseur, betritt das Cinemaxx durch eine der seitlichen Eingangstüren. Auch den Douglas-Sirk-Preis, für den er nach Hamburg gereist war, nimmt er nicht auf der offenen Bühne, sondern auf seinem Platz mitten im Kino aus den Händen von Kultursenator Carsten Brosda (SPD) entgegen.

Erst nach Ende der Vorführung von „Annette“, einem 140 Minuten langen Musical, kommt Carax doch noch nach vorn. Das Frage-Antwort-Spiel scheint für ihn jedoch eine ziemliche Quälerei zu sein. Als im Publikum niemand eine Frage zu stellen wagt, kommentiert Carax das mit „Perfect!“.

Filmfest Hamburg: Brosda lobt Regisseur Carax

Mehr als von Leos Carax selbst erfahren die Zuschauer im ausverkauften Saal 1 durch die Laudatio von Carsten Brosda. „Seine Filme sind stets surreale Kunstwerke, die zwischen Wahn und Wirklichkeit sowie Traum und Realität schwanken“, beschreibt er das Werk von Carax, der in 40 Jahren nur sechs Langfilme (darunter 1991 „Die Liebenden von Pont-Neuf“) gedreht hat.

“Nicht vorhersehbar“ seien die Filme des Preisträgers, so Brosda, der in seiner klugen Rede den italienischen Regisseur Bernardo Bertolucci zitiert: „Kino ist nicht Echtzeit, sondern Traumzeit“ – ein Satz, der viel mit der großen Bildkraft von Carax zu tun hat.

„Annette“ basiert auf Musik der Art-Pop-Band Sparks

Festivalleiter Albert Wiederspiel zeigt sich angesichts von „Annette“ so begeistert, dass er das aktuelle Spektakel als „30 Filme in einem“ lobt und feststellt, dass „Annette“ allein ausgereicht hätte, um Carax den Sirk-Preis zu verleihen. Welt-Premiere feierte das Musical als Eröffnungsfilm bei den Filmfestspielen in Cannes, beim Filmfest Hamburg ist es die Deutschland-Premiere.

„Annette“ basiert auf der Musik der Sparks, einer Art-Pop-Band aus Kalifornien, die Anfang der 70er-Jahre mit „This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us“ einen großen Hit hatte, aber zuletzt nur noch Insidern ein Begriff war. 15 Songs haben die Brüder Russell und Ron Mael für „Annette“ geschrieben, gesungen werden sie von den Hauptdarstellern Adam Driver und Marion Cotillard. Henry und Ann sind ein junges verliebtes und erfolgreiches Paar – er ist ein durchgeknallter Stand-Up-Comedian, sie eine gefeierte Opernsängerin.

Filmfest Hamburg: Carax ist ein würdiger Preisträger

Sie heiraten, sie bekommen ein Kind, doch nach Annettes Geburt wird aus dem romantischen Liebesfilm ein immer dunkleres metaphysisches Drama. Annette ist eine grob zusammengebastelte Gliederpuppe mit großen abstehenden Ohren. Henry verliert zunehmend den Verstand, der Film verwandelt sich in einen düsteren Thriller.

Carax hat seiner Filmografie mit „Annette“ ein opulentes Werk hinzugefügt, das gerade im ersten Teil viele melodramatische Elemente enthält. Ein würdiger Preisträger.

„Annette“ läuft beim Filmfest noch einmal am 6.10. um 21.15 Uhr im Abaton