Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe feiert den Buchautor und Erfinder von Tiger, Bär und Ente mit einer großartigen Familienausstellung.

Das Leben ist so: Du wirst hineingeworfen wie in ein kaltes Wasser, ungefragt, ob du willst oder nicht. Du kommst lebend nicht mehr heraus. Darüber kannst du: a) unglücklich sein und ersaufen; b) dich lustlos und frierend so lange über Wasser halten, bis es vorbei ist; c) einen Sinn suchen und einfordern und dich grämen, weil er sich nicht zeigt; oder du kannst: d) dich darin voller Freude tummeln wie ein Fisch und sagen: „Ich wollte sowieso ins Wasser, kaltes Wasser ist meine Leidenschaft. Was für ein verdammt schönes Vergnügen, Leute!“ Und das wäre die Kunst, um die es hier geht. Bei Janosch, von dem diese Zeilen stammen.

Im Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) wird eben diese Lebenskunst, die Janosch in seinen über 300 veröffentlichten Büchern vermittelt, im großen Stil gefeiert. Es ist ein Fest der Freude, der Schönheit, des Träumens, der Freundschaft und des Witzes, das das Ausstellungshaus dem weltweit berühmten Autor, Zeichner und Erfinder von Bär, Tiger, Ente und Co. nachträglich zum Geburtstag kredenzt; im März dieses Jahres wurde Horst Eckert, wie Janosch bürgerlich heißt, 90 Jahre alt. Auch wenn Janosch nicht bei der Eröffnung dabei war – der Künstler lebt schon seit Langem mit seiner Frau auf Teneriffa – ist er in allen Räumen auf ganz unterschiedliche Weise erlebbar.

Kopfstand in Wondraks Büro – für den Perspektivwechsel

Passend zum Lebenskunst-Gedicht lädt ein Ausstellungsraum ins blau geflieste Schwimmbad (allerdings ohne kaltes Wasser darin). Auf dem Boden sind Strandliegen aufgestellt, auf denen sich das Publikum lang machen und über Kopfhörer Janoschs besonderer Sprache lauschen kann. Prominente, darunter Anneke Kim Sarnau, Reinhold Beckmann oder Florian Sump und Lukas Nimscheck von der Band „Deine Freunde“, lesen Geschichten wie „Ich mach dich gesund, sagte der Bär“ oder „Oh, wie schön ist Panama“ vor.

Dank der großartigen Ausstellungsarchitektur von Silvia Knüppel lädt die Ausstellung Besucherinnen und Besucher auf verschiedenen Ebenen und durch wechselnde Perspektiven und Sichtachsen zum Betrachten, Lesen, Faulenzen, Mitlachen und Zuhören ein. Extra für „Janosch“ wurden Holzmöbel angefertigt, so stehen Stühle für kleine und große Menschen, die vor den Bildern bereitstehen, daneben Hocker auf Rollen mit einem groben Stein oder einer Collage aus Stofftieren darauf. In einem Etagenbett kann in Janosch-Klassikern geschmökert werden. Immer mal wieder fordern Leitern dazu auf, einen anderen Blick einzunehmen. Bis zum Kopfstand auf Yogamatten, die in einer Ecke von Wondraks Büro ausgebreitet liegen.

Kunstgenuss tiefer gehängt – für die Kleinsten

Das Büro hat auch Weisheiten, die Janoschs Alter Ego jahrelang im „Zeit Magazin“ kundtat, auf Schreibtischen zum Nachlesen und Schmunzeln parat. Kostprobe: „Herr Janosch, wie motiviert man sich zur Arbeit?“ – „Wondrak nimmt die Macht des Schicksals zu Hilfe. Er würfelt. Wenn es eine Eins gibt, muss er nicht anfangen zu arbeiten. Manchmal dauert es Stunden, bis er Eins würfelt.“ Daneben steht ein Becher mit Würfeln bereit, zum Selbstversuch.

Ausstellungskuratorin Caroline Schröder zeigt den „menschenscheuen Menschenfreund“ Janosch facettenreich und mit viel Liebe zum Detail in seinem reichen Schaffen. Über 100 Originalzeichnungen, vorwiegend mit Tusche oder Wasserfarben erstellt, zieren die Wände und laden ein, mit den berühmten Bilderbuchfiguren in Janoschs fantastische Welt abzutauchen. Dabei sind manche Bilder tief gehängt, damit auch die Jüngsten in den Kunstgenuss kommen, andere wie „Herr Wuzzel und sein Karussell“ oder „Onkel Poppoff kann auf Bäume fliegen“ sind hoch oben an der Decke und nur kletternderweise zu entdecken.

Post spielt in Janoschs Büchern eine zentrale Rolle

Die Wandtexte sind in einfacher Sprache gehalten; Filme in Gebärdensprache kommentiert und per Audiodeskription erlebbar. In einem Vorführraum mit Kuschelecke können Besucherinnen und Besucher drei der schönsten Janosch-Filme sehen: „Das Wolkenzimmerhaus“, „Popov und die Geschichte vom Schloss“ und „Post für den Tiger“.

Apropos Post: Sie spielt in Janoschs Büchern eine zentrale Rolle. Man denke nur an die Geschichte, in der dem Hasen mit den schnellen Schuhen die Briefe nie ausgehen. Der Künstler hat an die hundert Postkarten gestaltet. Darum gibt es in der Ausstellung Janoschs Postamt: „Lebenskunst“-Postkarte aussuchen, schreiben, adressieren, einwerfen. Das Museum kümmert sich ums Porto.

Sie hoffe, dass die Ausstellung „die Herzen von kleinen und großen Menschen glücklich macht“, sagte Direktorin Tulga Beyerle in ihrer Eröffnungsrede und stöberte dann selbst noch einige Zeit durch Janoschs Welt. Experiment gelungen: So eine helle, bunte, fröhliche, lebensbejahende Ausstellung hat’s dringend gebraucht in diesem Herbst. Ab ins kalte Wasser!

„Janosch. Lebenskunst“ 3.10.-13.3.2022, Museum für Kunst u. Gewerbe (U/S Hbf), Steintorplatz, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00, Eintritt 12,-/8,- (erm.), www.mkg-hamburg.de