Hamburg. Solange das Haus der Photographie saniert wird, gibt es Foto-Ausstellungen im Containerwürfel auf dem Vorplatz. Die Hintergründe.
Er ist unmöglich zu übersehen, der riesige Zauberwürfel, der sich auf dem Vorplatz der Deichtorhallen breit gemacht hat: Zwölf Meter hoch und 50 Meter breit sind die Außenflächen, die in Grellgelb, Hellblau und Gold um Aufmerksamkeit buhlen. Direkt neben Tom Sachs’ spektakulärer Weltrauminstallation in der Halle für aktuelle Kunst ist nun auch Phoxxi gelandet. Außen bunt, innen White Cube. So hat es sich Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow gewünscht, und so kam es dann auch.
Mit in den Jubelgesang über „Phoxxi – Haus der Photographie temporär“, wie es beginnend schmissig und im zweiten Schritt dann doch etwas sperrig heißt, stimmten Kurator Ingo Taubhorn und Bert Antonius Kaufmann, kaufmännischer Direktor, bei der Presserunde am Mittwoch ein.
Ausstellung: Phoxxi als Ersatz-Deichtorhalle
Und das zu Recht: Innerhalb weniger Monate erdachte das Berliner Architekturbüro Graft aus herangekarrten Containern eine kleine, coole Ersatz-Deichtorhalle, in der zeitgenössische Fotografie ausgestellt wird solange das Haus der Photographie saniert wird. Also voraussichtlich drei Jahre.
Um trotz geschlossener Halle und Baustelle „weiterhin sichtbar zu sein“, so Luckow, entstand die Idee für Phoxxi. Und dieser Name, er ist natürlich auch eine Hommage an den Gründungsdirektor des Hauses der Photographie, F. C. Gundlach. Der berühmte Modefotograf habe, so Luckow, stets darauf beharrt, Photographie eben mit ph zu schreiben, damit der Ort auch international verstanden und vermarktet werden kann. Die zweite Silbe, xxi, wird abgeleitet aus der römischen Zahl für 21 – Fotografie im 21. Jahrhundert.
Phoxxi wirkt im Inneren kleiner als erwartet
Die Außenfassade hat der in Berlin lebende und an der Hochschule für bildende Künste Hamburg lehrende Anselm Reyle gestaltet. Er setzte Werke aus der Sammlung von F. C. Gundlach mit für ihn charakteristischen Farbstreifen in Szene und integrierte auch Werke der jetzt zu sehenden Künstler. Zugegeben: Was von außen spektakulär und riesengroß scheint, wirkt im Inneren kleiner als erwartet: Über improvisierte Holztreppen gelangen Besucherinnen und Besucher in ein kleines Foyer.
Hinter einer Glaswand öffnet sich ein schmaler, schlauchartiger Ausstellungsraum. Von dort führt eine Treppe auf eine Empore. Darunter ist ein flexibel nutzbarer Medienraum untergebracht. Insgesamt stehen 470 Quadratmeter Fläche für Ausstellungen zur Verfügung, dazu kommen noch einmal 350 Quadratmeter für Büros.
Brücke zwischen historischer und digitaler Fotografie
Als „Ort für die Identität der Fotografie, zur Betrachtung in alle Richtungen und um die Grenzen des Mediums auszuloten“, bezeichnet Ingo Taubhorn das temporäre Ausstellungshaus. Er hat zusammen mit Dirk Luckow die erste Ausstellung kuratiert. Im Zentrum steht dabei der Brückenschlag zwischen historischer Fotografie und der digitalen Gegenwart des 21. Jahrhunderts: Jack Davison, Omer Fast und Frida Orupabo zeigen Erweiterungen der analogen Fotografie ins Digitale, Dreidimensionale und Bewegtbild.
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Der in London lebende Künstler Jack Davison, Jahrgang 1990, greift in seinen Arbeiten auf bereits vorhandene ikonische Bilder zurück. Auf den ersten Blick erscheinen seine Porträts und dokumentarischen Werke wie Déjà-vus aus der Geschichte der Fotografie, man fühlt sich erinnert an Großmeister wie Max Ernst, Erwin Blumenfeld oder Man Ray. Durch Doppelbelichtungen, gezielte Lichtreflexe und die Verwendung von Requisiten schafft er surrealistische, traumwandlerische Bilder und überführt sie in die Gegenwart.
„Es geht darum, den Moment festzuhalten"
Seine Arbeit beschreibt Davison, der bei der Vorstellung in Hamburg anwesend war, so: „Es geht darum, den Moment festzuhalten, in dem etwas, das ich gesehen habe, mich bewegt hat, sei es eine Emotion im Gesicht einer Person oder ein Lichteinfall. Es ist immer ein Bauchgefühl im Spiel.“
Die Empore bespielt die norwegisch-nigerianische Künstlerin Frida Orupabo, geboren 1986. Aus ihrer eigenen Herkunft heraus interessiert sie der kolonial geprägte Blick auf Schwarze Frauenkörper. Bilder davon zerreißt und zerstückelt die Künstlerin und montiert die Gliedmaßen wieder neu zusammen, so dass befremdende und doch anmutige, dreidimensionale Körperbilder entstehen. Angefangen als persönliches Tagebuch, geht es ihr heute darum, eine neue Identität durch zeitgenössisches Selbstbewusstsein sichtbar zu machen.
Ausstellung: Videoarbeit von Omer Fast im Phoxxi
Eine sehr beeindruckende Videoarbeit, die im Medienraum präsentiert wird, hat der Berliner Künstler Omer Fast, Jahrgang 1972, geschaffen.
In seinem Film „August“ aus dem Jahr 2016 spüren professionelle Schauspieler dem Leben des Fotografen August Sander (1876-1964) nach, der durch seine Porträtreihe „Menschen des 20. Jahrhunderts“ berühmt wurde. Gezeichnet durch den Tod seines Sohnes in einem Kölner Gestapogefängnis suchen ihn die Geister der Porträtierten heim.
„Jack Davison, Omer Fast, Frida Orupabo“ 30.9.-23.1.2022, Phoxxi (U Steinstraße), Deichtorstraße 1-2, Di-So 11.00-18.00, Eintritt 8,-/5,- (erm.), www.deichtorhallen.de