Hamburg. Der Bassist wird mit dem Werner Burkhardt Musikpreis ausgezeichnet. Ein Preisträger-Konzert wird am Mittwoch gestreamed.
Giorgi Kiknadze hat sie verdient. Und das findet er selbst auch. Jahrelang musste er – „ohne Neid, aber mit etwas Gram“ – beobachten, wie Kolleginnen und Kollegen an ihm vorbeizogen, nun endlich bekommt er selbst eine Auszeichnung: den mit 7500 Euro dotierten und von der Hamburgischen Kulturstiftung verliehenen Werner Burkhardt Musikpreis.
Für den Jazzbassisten nicht nur finanziell eine warme Dusche („Ich zahle ein paar Schulden zurück, mache den Führerschein und investiere natürlich in meine Musik“) sondern vor allem Bestätigung für einen Lebensweg, der in den 80er-Jahren in der georgischen Hauptstadt Tiflis begann.
Hamburger Jazzmusiker: Vater brachte ihn zur Musik
Beim Zoom-Interview erzählt der 39-Jährige, der mit Freundin und zwei Kindern in Ottensen wohnt, von seinem Aufwachsen in der damals noch Sozialistischen Sowjetrepublik. Von den deutschstämmigen Kindergärtnerinnen („Tante Annie und Tante Landa“), bei denen er sich so aufgehoben fühlte und nebenbei Deutsch lernte, von der Künstler- und Intellektuellenszene des Landes, zu der auch sein Vater und seine Mutter gehörten.
Maler, Dirigenten, Architektinnen, Theaterschaffende zählten zum täglichen Umgang des kleinen Giorgi, besonders prägend war sein Vater, ein Komponist und Saxofonist, der ihn früh zur Musik brachte. „Mit sechs habe ich das Klavierspiel begonnen, in der fünften Klasse kam das Cello dazu.“
Neue Heimat in Lübeck
Als sich in Georgien die politische Lage Anfang der 90er-Jahre dramatisch entwickelte, es wenig später in den Regionen Abchasien und Südossetien sogar zum Bürgerkrieg kam, verließ zunächst der Vater das Land und fand in Lübeck eine neue Heimat, bald darauf folgten ihm Ehefrau und Sohn.
Zwar konnten sie sich in Deutschland sicher fühlen, doch die Sorge um die Daheimgebliebenen, etwa die Großeltern, blieb. Und dann war da das nagende Heimweh. „Wir Georgier sind sehr stolz auf unser Land“, sagt Giorgi Kiknadze, legt aber Wert auf die Feststellung, dass für ihn damit die große Verbundenheit mit den eigenen Wurzeln gemeint ist, kein ausgrenzender Nationalismus.
Georgien hat Einfluss auf seine Entwicklung genommen
Zwei- bis dreimal pro Jahr reiste er vor der Coronakrise nach Georgien, zwischendurch verbrachte er sogar mal ein ganzes Jahr in Tiflis. Schon vor zehn Jahren sind seine Eltern zurückgezogen, er selbst habe auch darüber nachgedacht, aber: „Als Jazzmusiker ist es schwierig, weil es dort gar nicht genügend Auftrittsmöglichkeiten gibt.“ Tatsächlich hat Georgien nicht einmal vier Millionen Einwohner, weniger als ein Zwanzigstel der deutschen Bevölkerung – und eine entsprechend überschaubare Infrastruktur was Clubs und Konzerthallen betrifft.
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Einfluss auf seine musikalische Entwicklung hat Georgien dennoch genommen. Hier lernte er im Alter von 16 Jahren die Musik von Bands wie Led Zeppelin und Deep Purple kennen, wechselte daraufhin vom Cello erst zur E-Gitarre, dann zum Bass. Immer unterstützt von seinem Vater, durch den er letztlich auch den Jazz entdeckte. Wenn sie sich heute sehen, spielen sie zusammen – die Kombination aus Saxofon und Bass eröffnet einige Möglichkeiten.
„Verlässlich und stilsicher als Begleiter, virtuos als Solist"
In Hamburg hat Giorgi Kiknadze, der an der Musikhochschule studierte, sich einen Namen als erstklassiger Bassist gemacht; er leitet sein eigenes Trio und Quartett, ist auch ein gefragter Sessionmusiker und spielte unter anderem in den Bands der Saxofonisten Anna-Lena Schnabel und Gabriel Coburger. Besondere Aufmerksamkeit erregten Projekte, bei denen er Songs der Beatles und von David Bowie neu arrangierte.
In der Laudatio zum Werner Burkhardt Musikpreis, der im Rahmen eines am 21. April auf fatjazz.de gestreamten Konzerts verliehen wird, heißt es: „Verlässlich und stilsicher als Begleiter, virtuos als Solist, tiefgründig als Komponist – die bedingungslose Hingabe von Giorgi Kiknadze an die Musik ist begeisternd.“ Am Bass habe er „einen eigenen, unverkennbaren Klang entwickelt, kernig, warm und singend“, auch die sehr wohltuende Kombination aus Bescheidenheit und Innovationskraft findet Erwähnung.
Jazzmusiker Giorgi Kiknadse ist ein Teamplayer
Und tatsächlich ist Giorgi Kiknadse keiner, den es permanent in die erste Reihe drängt. Wie so viele Jazzbassisten ist er ein Teamplayer, einer, der sehr genau hinhört und immer neue Wege der Interaktion findet. Der auflebt, wenn er mit anderen Musikerinnen und Musikern auf der Bühne steht – nicht umsonst erinnert er sich immer noch gern an eine von ihm kuratierte Konzertreihe im Hafenbahnhof, für die er damals viele neue Stücke schrieb.
Natürlich hat Corona auch Giorgi Kiknadze zahllose Konzerte verhagelt, doch seine Lehrtätigkeit an zwei Hamburger Musikschulen hat für ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität gesorgt. „Außerdem hatte ich viel Zeit, am E-Bass und mit Effektgeräten zu experimentieren.“. Der nächste große Traum: eine daraus resultierende Solo-CD. Die hat er sich jetzt so langsam mal verdient, findet er. Genauso wie die erste Auszeichnung für seine Musik.
Konzert Giorgi Kiknadze Mi 21.4., 20.00 als Stream auf fatjazz.de