Hamburg. Mika Kaurismäkis herzwärmende Komödie „Master Cheng in Pohjanjoki“ startet in zahlreichen Hamburger Kinos.
Der chinesische Koch Cheng reist mit seinem Teenager-Sohn nach Pohjanjoki, ein kleines Dorf in Lappland. Er möchte einem Finnen, der ihm vor Jahren Geld geliehen hatte, damit er sein Restaurant retten konnte, das Darlehen zurückzahlen. Mit dem Bus kommen Vater und Sohn in der finnischen Provinz an und fühlen sich – kein Wunder – etwas verloren. Auch weil hier niemand den Wohltäter von damals zu kennen scheint. Das ist die Ausgangslage in „Master Cheng in Pohjanjoki“, dem neuen Film des finnischen Regisseurs Mika Kaurismäki, der 30 Jahre in Brasilien lebte, inzwischen aber in seine Heimat zurückgekehrt ist.
In der Feel-good-Komödie bietet die Café-Besitzerin Sirkka (Anna-Maija Tuokko) dem Koch und seinem Sohn ein Zimmer an. Während der Nachwuchs Fußball spielt, wirbelt Cheng schon bald in der Küche, kocht traditionelle chinesische Gerichte und sorgt dafür, dass sich das früher eher schlichte, imbissartige Café in eine kulinarische Attraktion verwandelt. Selbst hartnäckig traditionalistische Finnen beginnen, diese neue Küche über alle Maßen zu schätzen. Aber dann läuft Chengs Touristenvisum ab. Die erfindungsreichen Lappen schmieden einen Plan, wie er trotzdem bleiben könnte. Und ein bisschen Liebe ist auch im Spiel.
Asiatisches Essen hat Mika Kaurismäki interessiert
Mit „Master Cheng in Pohjanjoki“ ist Mika Kaurismäki, der früher oft ein wenig im Schatten seines erfolgreichen, zwei Jahre jüngeren Bruders Aki stand, durchaus ein cineastischer Coup gelungen. Die Deutschland-Premiere erlebte der Film im vergangenen Herbst bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck, und mit rekordverdächtigen 93 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt er den Zuschauerpreis. „Das ist die schönste Auszeichnung“, freute sich der Regisseur.
Der 64-Jährige ist ein Weltenbummler in Sachen Film und ein finnischer Exportschlager. Außer in seiner Heimat hat er auch in Brasilien, Deutschland, Portugal und den USA gelebt. 2019 kehrte er nach 30 Jahren Brasilien den Rücken, weil er mit der Politik des rechtsradikalen Staatspräsidenten Jair Bolsonaro nicht einverstanden war.
Er sei vor dem Filmdreh kein großer Experte in Sachen chinesischer Küche gewesen, gibt Kaurismäki zu. „Ich kenne mich eher in der japanischen und koreanischen Küche aus. Aber asiatisches Essen hat mich schon interessiert.“ Sein Hauptdarsteller Chu Pak-Hong konnte zwar ein wenig kochen, aber sicherheitshalber engagierte Kaurismäki ein Double, „einen Koch von einem guten chinesischen Restaurant in Lappland“. Die Sache hatte für die Filmcrew einen ausgesprochen angenehmen Nebeneffekt: „Die haben für uns das Catering gemacht.“
Im Film rührt Kaurismäki einige Themen zusammen
Im Film rührt Kaurismäki einige Themen zusammen. Es geht um Globalisierung, das Fremdsein in einer anderen Kultur, kauzige Typen und die wunderbare Landschaft Lapplands. Durch das Essen werden kulturelle Grenzen überwunden. „Es geht vom Magen direkt ins Herz“, sagt Kaurismäki. Die Finnen im Film erkennen, dass der Fremde ihnen auch etwas mitbringt und nicht nur ihre Esskultur erweitert. „Deshalb wollte ich diesen Film machen. Unsere politischen Führer denken nicht über die wichtigen Probleme nach, sondern nur über ihre Macht. Sie wollen die Menschen eher trennen als vereinen.“
Auch wenn seine Rückkehr nach Finnland durch äußere Umstände bedingt war, fällt Mika Kaurismäkis erste Finnland-Bilanz positiv aus. „Alles ist viel offener geworden. Früher war mir alles zu eng und zu grau. Wir hatten übrigens bei den Dreharbeiten nicht mal Mücken.“ Lappland-Kenner wissen, was er meint. Und welche Erleichterung das bedeutet. Das Team hat ungewöhnlich lange in Lappland gedreht. Dabei holte die Realität die Fiktion ein. „Es war sehr schön, wie wir uns als Filmteam aus dem Süden in das kleine Dorf im Norden mit seinen 150 Einwohnern integriert haben, genauso wie Cheng und sein Sohn im Film.“
Rastloser Filmemacher
Kaurismäkis Liebe zu Lappland ist schon älter. Zusammen mit seinem Bruder Aki betreibt Mika dort seit 1986 das Midnight Sun Festival im Ort Sodankylä, das in diesem Jahr allerdings nur online veranstaltet werden konnte. „Ich hoffe, das war das letzte Mal so. Es ist kein Vergleich mit dem wirklichen Erlebnis.“
Kaurismäki ist ein rastloser Filmemacher, der ständig viele Pläne im Kopf hat. Gerade erst hat er mit drei Schauspielern einen Improvisationsfilm gedreht, eine Fortsetzung seines Dramas „Three Wise Men“ aus dem Jahr 2008. Jetzt wollte er eigentlich gleich den nächsten Film inszenieren, eine finnisch-deutsche Koproduktion, für die vermutlich auch in Hamburg gedreht werden soll. Die Corona-Krise verhindert das zurzeit noch. Stattdessen kann nun aber endlich „Master Cheng in Pohjanjoki“ das Feuer unter seinen Töpfen entfachen.
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Der Regisseur packt mit dem Film den Zeitgeist effektiv bei den Hörnern. Das haben Verleiher weltweit erkannt. „Noch nie ist einer meiner Filme international so schnell verkauft geworden“, bilanziert Kaurismäki. Ist „Master Cheng“ vielleicht sogar ein politischer Film? „So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht“, sagt Kaurismäki, der sich schon in sehr vielen Genres ausprobiert hat. „Gutes Essen führt Menschen zusammen, und das ist genau, was ich machen wollte: einen Film, der Menschen zusammenführt.“
„Master Cheng in Pohjanjoki“ läuft am Mi 29.7. , 21.45, beim Lotto Schanzenkino im Schanzenpark und ab Do 30.7. im Blankeneser Kino, Holi, Koralle und Zeise