Hamburg. Autokino auf dem Heiligengeistfeld wurde bislang nicht genehmigt – dafür bietet das Portal „Kino on Demand“ den Programmkinos Hilfe an.
Die Auswahl der Filmtitel ist vielsagend: „Alles außer gewöhnlich“, „Master of Disaster“ und „Apokalypse Now – the Final Cut“. Keine Frage, das passt in die Zeit. Die Plattform „Kino on Demand“, ein Angebot des Kölner Unternehmens Rushlake Media, ist ein Streamingdienst, noch dazu einer, der mit rund fünf Euro pro Film (und sogar zehn Euro für Deutschlandpremieren, die aktuell im Kino laufen würden) deutlich teurer ist als etwa Netflix oder Amazon Prime. Aber: Er funktioniert als Programmheimkino.
Die Auswahl ist kuratiert – und vor allem: „Kino on Demand“ unterstützt ganz direkt die echten Programmkinos, jene lokalen Lichtspielhäuser also, die durch die Coronakrise und die dadurch nötigen Schließungen ganz besonders in Bedrängnis geraten. Beim ersten (und anschließend bei jedem fünften) digitalen „Kino“-Besuch wird ein 5-Euro-Gutschein per Mail verschickt, der ausgedruckt in einem Programmkino nach Wahl eingelöst werden kann – wenn es eines Tages wieder öffnet.
Alle relevanten Kinos aus Hamburg sind dabei
Aus Hamburg sind nahezu alle relevanten Kinos dabei: Man kann das Holi aussuchen, wenn man den Film dort am liebsten gesehen hätte, oder das Abaton , das Zeise, das 3001 oder das Savoy Filmtheater … Die Filmauswahl ist in Kategorien eingeteilt, darunter „Deutschlandpremieren“, „Intelligente Komödien“ und „Film-Marathon in Quarantäne“.
Man kann also sagen, dass die Branche sich bemüht, ihre kreativen Fähigkeiten in die Waagschale zu werfen. Filmstarts werden von den Kinos in die Streamingdienste ausgelagert. Das Festival von Cannes soll irgendwie stattfinden. Und auch bei den Filmproduktionen tut sich etwas. Für die Krimiserie „The Agoraphobics Detective Story“ sollen britische und amerikanische Drehbuchautoren und Regisseure zusammenarbeiten. Gedreht wird der Fall jeweils bei den Schauspielern zu Hause.
Abaton ist skeptisch
Im Abaton steht man der aktuellen Situation trotzdem skeptisch gegenüber. „Erst kommen die Schulen, dann die Restaurants, dann die öffentlichen Veranstaltungen und erst dann die Kinos“, glaubt Geschäftsführer Felix Grassmann. Kein deutscher Filmverleih habe bisher für den Mai einen nennenswerten Neustart angekündigt. Auch in Shanghai, einer Metropole, die lange vor Hamburg von der Coronakrise betroffen wurde, seien die Kinos noch nicht geöffnet.
Nach einem Ende des Lockdown sieht Grassmann noch kein Ende der Probleme. Wann kommt das Publikum zurück? Wann wird man Filme wie „Enfant terrible“ von Oskar Roehler, „Undine“ von Christian Petzold oder „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani auf der großen Leinwand zeigen können? Vieles ist unklar. Gescheitert ist der Versuch mehrere Hamburger Kinobetreiber, das Autokino in der Hansestadt wieder neu zu beleben. Sie wollten auf dem Heiligengeistfeld oder auf dem Parkplatz vor dem Volksparkstadion ein Kino für bis zu 500 Fahrzeuge anbieten. Aber die Behörde gab bislang keine Genehmigung.
Große Sehnsucht nach Kino
Die Kinos selbst bräuchten auch genügend Vorlauf, um ein Programm zusammenzustellen. Natürlich könnte man die Zahl der verkauften Plätze einschränken. Aber reicht das? „Die Sehnsucht nach Kino ist sehr groß. Ein Klima der Angst wäre aber fatal. Das wird noch ein sehr schwieriger Sommer“, glaubt Grassmann. In den kommenden Tagen soll eine weitere Spendenaktion für die Kinos gestartet werden.
„Ich arbeite jetzt mehr als vorher“, sagt Hans-Joachim Flebbe. „Als die Kinos Mitte März geschlossen wurden, habe ich mir vorgestellt, dass ich einige ruhige Tage haben werde. Das Gegenteil ist der Fall.“ Der 68-Jährige ist eine Art Dinosaurier im deutschen Kinogeschäft und hat schon einige Höhen und Tiefen erlebt. In den 1990er-Jahren hatte Flebbe die Cinemaxx-Kinos gegründet, bei denen er 2009 ausgestiegen ist.
Liquidität sichern
Inzwischen ist er Chef der Premium Entertainment, die deutschlandweit acht Astor-Kinos, in Hamburg das Savoy, in Berlin den Zoopalast betreibt. Im Moment geht es für den Unternehmer vor allem darum, die Liquidität zu sichern und mit den Banken über Kredite zu verhandeln. Allein 500.000 Euro Mietkosten fallen im Monat an. Alle 700 Mitarbeiter, außer einem Krisenstab in der Barmbeker Zentrale, sind in Kurzarbeit. Insgesamt beziffert er die Umsatzverluste auf etwa zwei Millionen Euro im Monat.
„Kino ist Kino, das kann man nicht nach Hause verkaufen“, findet Flebbe. Er rechnet damit, dass die Lichtspielhäuser ähnlich wie Theater und Opernhäuser frühestens im Juli wiedereröffnen können. „Ich befürchte sogar, dass es erst im September so weit sein wird.“ Sein Unternehmen stehe ganz gut da, weil es profitabel gearbeitet habe. „Einige werden es nicht schaffen.“ Und ein Kinobesuch mit Gesichtsmasken und beschränkter Zuschauerzahl, bei der jeder zweite Platz frei bleibe müsse? Das wäre zwar nicht schön. „Aber eine Option.“
Informationen zum Coronavirus:
- Die Stadt Hamburg informiert die Bürger auch online über das Coronavirus. Zusätzlich gibt es eine Hotline: 040 42828-4000
- Das Robert-Koch-Institut beantwortet häufig gestellte Fragen zu SARS-CoV-2
- Auch das Bundesgesundheitsministerium hat eine eigene Informationsseite zum Virus eingerichtet
Ganz schwarz sieht der Kinomacher nicht für die Zukunft. „Wenn man über Monate Filme immer nur auf dem Laptop geschaut hat, wächst die Lust auf ein Ausgeherlebnis“, sagt Flebbe. „Ich hoffe, dass diese Tendenz bei den Besuchern größer ist als die Angst vor Ansteckung.“
Im Hamburger Metropolis hat man indes ein Notprogramm auf die Beine gestellt, mit dem man auch kurzfristig starten könnte. Die Retrospektiven mit Filmen von Federico Fellini und Agnes Varda könnten fortgesetzt werden. Bis auf Weiteres ausfallen muss dagegen das monatliche Seniorenkino. Auch die Französischen Filmtage im Sommer sind abgesagt. Geschäftsführer Martin Aust macht sich Sorgen um die Zeit nach Ende des Aufführungsverbots. „Wir sind in einer besonders schwierigen Situation, denn wir haben ein älteres Publikum.“