Hamburg. Die Pandemie ist noch lange nicht überstanden. Und jetzt fallen auch noch fest eingeplante Blockbuster weg.
Am Freitagmorgen zerschlug sich für die Hamburger Kinobetreiber wieder eine Hoffnung: Es wurde bekannt, dass zwei potenzielle Publikumsmagneten, der Disney-Abenteuerfilm „Mulan“ und der Action-Thriller „Tenet“ von Christopher Nolan („Batman“-Trilogie“), erneut und auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Betroffen sind darüber hinaus geplante Fortsetzungen von „Star Wars“ und „Avatar“. Filme wie diese sollten helfen, das bis jetzt coronabedingt katastrophale Kinojahr zu retten. Und nun?
Hochkarätiger Nachschub an aktuellen Filmen ist aber nur ein Problem von vielen, mit denen sich die Kinobetreiber aktuell beschäftigen. Ein anderes ist die Mindestabstandsregel von 1,50 Metern. Nur 20 Prozent der maximalen Besucherkapazität sind momentan möglich. Viel zu wenig, als dass sich der Betrieb wirtschaftlich rechnen könnte. Der Druck ist groß. „Unsere Zahlen sind miserabel“, klagt Kino-Chef Hans-Joachim Flebbe. Er betreibt in Hamburg das Savoy (wieder geöffnet) und die Astor Film Lounge (immer noch geschlossen). „Wenn es bei uns Ansteckungen gegeben hätte, könnte ich die Abstandsregel ja noch verstehen, hat es aber nicht.“ In Nordrhein-Westfalen ist ein geringerer Abstand zwischen Besuchern in den Kinos möglich. Jetzt wurde bekannt, dass Sachsen nachziehen wird.
Hoffnung verbanden viele Kinobetreiber mit dem Start der Autokinos
„Wir spüren nach wie vor, dass das Kino sehr vermisst wurde, und unsere Besucherzahlen sind über unseren Erwartungen“, heißt es hingegen aus dem Cinemaxx. „Wir durften bundesweit fast 300.000 Gäste zurückbegrüßen – was uns sehr freut und stolz macht. Auch Ta-gungen und Konferenzen haben bei uns bereits wieder stattgefunden.“ Betrachtet man allerdings die aktuelle Buchungslage, sieht es weniger rosig aus: Eine am Freitagnachmittag erhobene Stichprobe zeigte gerade mal vier belegte Plätze in Saal 1 des Cinemaxx Dammtor bei der aktuellen 19.30-Uhr-Vorstellung von „The Vigil – Die Totenwache“, für den Neustart „Out Of Play“ mit Ben Affleck waren im Saal 6 (19 Uhr) ganze sechs Plätze gebucht.
Hoffnung verbanden viele Kinobetreiber in den vergangenen Wochen mit dem Start der Autokinos. Jedoch: Von den drei Hamburger Freiluft-Abspielstätten hat das in Steinwerder schon wieder geschlossen. Es habe sich nicht gelohnt, so Abaton-Chef Felix Grassmann, der dort Programm machte.
Das Autokino „Bewegte Zeiten“ auf dem Heiligengeistfeld läuft indes weiter. Das Kinoprogramm hat Zeise-Chef Matthias Elwardt zusammengestellt. Für den 8. August ist ein Motorradkino-Tag geplant, bei dem unter anderem der Klassiker „Easy Rider“ mit Denis Hopper und Peter Fonda zu sehen sein wird.
Neu hinzu kommt das Museum für Hamburgische Geschichte als Abspielort
Auch auf der Trabrennbahn Bahrenfeld sind weiterhin Filme zu sehen, voraussichtlich – und natürlich abhängig vom Besucherinteresse – noch bis Ende August. Zusätzlich zu den 200 Autoplätzen gibt es dort jetzt auch 300 Open-Air-Plätze und eine Gastronomie. „Man kann allerdings nur online buchen. Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, sich ein Bier so zu bestellen“, sagt Dirk Evers vom Betreiber Outdoor Cine. Er veranstaltet auch Hamburgs derzeit einziges Open-Air-Kino in der Schanze. Dort dürfen bis zu 1000 Zuschauer gleichzeitig Filme schauen. Wenn Alkohol ausgeschenkt wird, allerdings nur 500. „Wenn mehr als 500 kommen, verzichten wir eben auf Schnaps. Das Verständnis der Zuschauer ist groß“, zeigt sich Evers insgesamt zufrieden.
Neu hinzu kommt demnächst für Kinofans das Museum für Hamburgische Geschichte als Abspielort. In dem mit Glas überdachtem Innenhof zeigen die Kinos Metropolis, B-Movie und 3001 vom 7. August bis zum 4. September jeweils freitags und sonnabends Filme. Los geht es mit dem Klassiker „Der dritte Mann“ von Orson Welles, am 8. August stellt Regisseurin Pia Frankenberg ihren Hamburg-Film „Brennende Betten“ vor, eine Komödie von 1988.
Gespräch mit Kultursenator Carsten Brosda
Auch, wenn das Publikum zu den bekanntlich stark witterungsabhängigen Open-Air-Angeboten strömen sollte: Die Gesamtlage ist schwierig. In Peking dürfen zwar seit Freitag die 262 Kinos wieder öffnen, weil es in der chinesischen Hauptstadt seit 15 Tagen keine neuen Corona-Infektionen gegeben hat, aber in Deutschland kämpfen die Kinobetreiber noch immer mit den für sie ungünstigen Geschäftsbedingungen.
In der kommenden Woche wollen die Hamburger Kinobetreiber die aktuelle Lage mit Kultursenator Carsten Brosda (SPD) besprechen. Das könnte interessant werden, denn am Freitag ließ eine Meldung des Herman-Rietschel-Instituts der TU Berlin aufhorchen. Eine in der ersten Julihälfte durchgeführte Atemluftstudie hat die Aerosolkonzentration in Kinosälen untersucht. Verglichen mit der Konzentration dieser für die Corona-Übertragung entscheidenden Partikel kommt die Studie zum Ergebnis, dass im Kinosaal nur 0,3 Prozent der Aerosole gegenüber der im Büro ermittelten Menge registriert wurden, weil dort nicht gesprochen wird.
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Christine Berg vom Vorstand des Hauptverbands deutscher Filmtheater (HDF) fordert deshalb die bisher geltende Abstandsregel von 1,5 Metern in den Kinos zu ändern, da offensichtlich sei, „dass die Sicherheit unserer Gäste auch mit einem geringeren Abstand in jedem Fall gewährleistet ist“. Eine Reduzierung des Mindestabstands auf einen Meter würde bedeuten, dass die Kinobetreiber 50 Prozent der Zuschauer in die Säle lassen könnten.
Doch ob dann tatsächlich die erhofften neuen Filme und mehr Besucher kommen, ist völlig offen.