Der Komponist war schwerhörig und wurde taub. In einem Brief klagte er schon 1802 sein Leid. Er gehört der Staatsbibliothek.

„Sprecht lauter, schreyt, denn ich bin Taub.“ Als es immer ruhiger, so grausam still um ihn wurde, hatte er gerade erst zwei seiner neun Sinfonien geschrieben, doch auch schon 20 der 32 Klaviersonaten. Erste Skizzen für die „Eroica“ gab es bereits. Die Karriere des rigoros selbstbewussten Komponisten begann Fahrt aufzunehmen. Es hätte so bleiben können. Nicht einfach, das nicht, aber wenigstens: einfacher.

Ludwig van Beethoven war noch keine 30, als die Schwerhörigkeit begann, ihn von der Welt und den Tönen, aus denen er Welten formte, brutal abzuschneiden. Taub, ausgerechnet, und ausgerechnet er. „O ihr Menschen die ihr mich für feindselig, störrisch oder misantropisch haltet oder erkläret, wie Unrecht tut ihr mir, ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet“, schrieb er am 6. Oktober 1802 an seine Brüder Kaspar Karl und Nikolaus Johann.

Ludwig van Beethoven wurde immer mehr zum Einzelgänger

„Welche Demütigung wenn jemand neben mir stund und von weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte oder jemand den Hirten singen hörte, und ich auch nichts hörte: solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung“, schrieb Beethoven sich seine Qualen von der Seele, „es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück.”

Dieser Brief ist weit mehr als eine weitere Korrespondenz-Unterlage, er wurde bekannt als das „Heiligenstädter Testament“, weil der 32 Jahre junge Beethoven dort seine gastritischen Beschwerden auskurieren wollte. Und weil er in diesen Tagen des Bangens und Leidens auch erfuhr, dass es keine Heilung für seine Hörbeschwerden gebe und er ertauben würde. Und weil er seinen Zeilen voranstellte „nach meinem Tode zu lesen und zu vollziehen“.

Von Kant stammt die Erkenntnis, dass schlechtes Sehen von den Dingen trenne, schlechtes Hören aber von den Menschen. Beethoven litt und wurde mehr und mehr zum Einzelgänger, die Konversationshefte, mit denen er kommunizierte und in denen er sich über alles und jeden Notizen machte, waren vor allem Indizien dieser Notwehr. Abgeschickt wurde das Bekennerschreiben nie, auch der auf ganz andere Weise dramatische „Brief an die unsterbliche Geliebte“, über deren Identität gern gerätselt wurde und wird, blieb zu Lebzeiten des Verfassers unzugestellt.

Wiener Haus der Musik zeigt, wie taub Ludwig van Beethoven war

Doch anders, als man es vermuten würde, befindet sich das Original dieses Testaments, das 1827 versiegelt im Nachlass gefunden wurde, weder in Beethovens Geburtsstadt Bonn noch in seiner Wahlheimat Wien. Im dortigen Beethoven Haus im 19. Bezirk, am Stadtrand in Grinzing, darf man lediglich ein Faksimile unter Glas besichtigen.

Wissenswertes zu Ludwig van Beethoven:

  • Ludwig van Beethoven gilt als einer der bedeutendsten Komponisten schlechthin und wurde im Dezember 1770 in Bonn geboren
  • Er starb im März 1827 im Alter von 56 Jahren
  • Beethoven hat neun Symphonien und 32 Klaviersonaten geschrieben
  • Der Komponist war schwerhörig und wurde schließlich taub
  • Frauen spielten eine große Rolle in Beethovens Leben: Eines seiner bedeutendsten Selbstzeugnisse ist sein Brief an die Unsterbliche Geliebte, deren Identität bis heute umstritten ist.

In der Beethoven-Abteilung des Wiener Hauses der Musik können Besucher mit einer Reihe von Hörrohren nachvollziehen, wie taub in welchem Lebensjahr Beethoven in etwa war und wie wenig er dann noch von seiner gerade komponierten Musik tatsächlich hören konnte.

Das eng beschriebene Doppelblatt gehört, und das schon seit 1888, nicht einer der Standard-Pilgerstätten für Beethoven-Bewunderer, sondern zum Bestand der Hamburger Staatsbibliothek, als eine Schenkung der damals rasend berühmten Sängerin Jenny Lind. Die „schwedische Nachtigall“ Lind und ihr aus Hamburg stammender Ehemann Otto Goldschmidt hatten verfügt, dass das Schriftstück in der Hansestadt, wo man sie immer so sehr gefeiert hatte, bleiben und dem Publikum „nach Kräften zugänglich gemacht“ werden soll.

Um Töne zu spüren, half Beethoven ein Stab

Letzteres ist relativ. Denn mehr als zwei Jahre ist es inzwischen her, dass das gute, unbezahlbar wertvolle Stück tatsächlich kurz aus der Schatzkammer der Stabi ans Licht der Öffentlichkeit durfte. Bei einem Saisonauftakt-Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter Leitung von Thomas Hengelbrock lag es 2017 in einer Vitrine im Foyer der Elbphilharmonie, während im Großen Saal der Beethoven-Verkörperer Klaus Maria Brandauer aus diesem Text vorlas. Es war dort als das Heiligtum, das es ist. Momentan allerdings ist das Schriftstück aushäusig: Bis Ende April 2020 ist es Teil der Ausstellung „Welt.Bürger.Musik“ in der Bonner Bundeskunsthalle.

Die übermenschliche Willensstärke und die Leidensfähigkeit Ludwig van Beethovens dokumentiert auch die Tatsache, dass er bis 1812, in den zehn Jahren nach dem Heiligenstädter Testament, acht der neun Sinfonien zu Papier brachte.

Um Töne zumindest als Vibrationen zu spüren, wenn er sie schon mehr und mehr nicht hören konnte, war ein Holzstab an seinem Flügel befestigt, den Beethoven beim Spielen zwischen die Zähne nahm. „Sprecht lauter, schreyt, denn ich bin Taub.“

„Beethoven – Welt.Bürger.Musik“

Katalog zur Ausstellung in der Bundes­kunsthalle, Wienand, 264 S., 39,80.

Zentrale Ausstellung der Bundeskunsthalle in Kooperation mit dem Beethoven-Haus Bonn bis 26.4.2020, Di/Mi 10.00–21.00, Do–So 10.00–19.00, auch Di 31.12., 10.00–16.00 und Mi 1.1., 10.00–19.00, Eintritt 14,-/erm. 9,-, Kombi-Tickets 20,-/erm. 13,-, frei bis 18 J. u. für Schulklassen (nur Fr);

www.bundeskunsthalle.de