Hamburg. Alles ist in Bewegung, alles vibriert: Die erstaunliche Schau „Goya, Fragonard, Tiepolo. Die Freiheit der Malerei“.
Mit großen Namen wartet die Hamburger Kunsthalle zum Jahresende auf. Gezeigt wird der französische Rokokomaler Jean-Honoré Fragonard (1732–1806). Der spanische Jahrtausendkünstler Francisco de Goya (1746–1828). Sowie Vater und Sohn Tiepolo, Giovanni Batista (1696–1770) und Giovanni Domenico (1727–1804), die die europäische Barockmalerei prägten wie kaum jemand anders.
Große Namen, die alle im 18. Jahrhundert ihre wichtigsten Werke schufen – aber wie lassen sich diese vier Künstler in einer gemeinsamen Ausstellung verbinden? Goya, Fragonard und die Tiepolos sind sich, soweit man weiß, nie begegnet, ein gemeinsamer künstlerischer Zugriff ist nicht ersichtlich. Und nur die Prominenz als vereinende kuratorische Begründung wäre dann doch ein wenig mau.
Für Kunsthallen-Chef Alexander Klar liegt die Gemeinsamkeit im modernen Kunstverständnis der Vier: „Die Ausstellung zeigt den Impressionismus vor dem Impressionismus“, was weniger konstruiert ist, als es klingt. „Die Freiheit der Malerei“, so der Untertitel der Ausstellung, erweist sich in der Befreiung des Pinselstrichs. Gleich das erste Ausstellungskapitel „Der Reiz des Skizzenhaften“ beinhaltet eine tatsächlich impressionistisch anmutende Befreiung des Malgestus’: Alles ist in Bewegung, alles vibriert.
Motivische Gemeinsamkeiten
Und zwischen Fragonards „Die Geburt der Venus“ (1753–55) und Giovanni Domenico Tiepolos „Der Triumph des Herkules“ (1760–62) erkennt man nicht nur motivische Gemeinsamkeiten, sondern vor allem auch eine ähnliche Malhaltung. Freilich folgte auf den jüngeren Tiepolo erst noch der Klassizismus, bevor die impressionistische Malerei tatsächlich den Sprung in die Moderne vollzog; die Klassifikation der Vier als frühe Impressionisten ist mehr reizvolles Gedankenspiel als tatsächlich haltbare Einordnung.
Allerdings stellt dieses Gedankenspiel einen Link zum übrigen Programm der Kunsthalle her: In der Galerie der Gegenwart ist noch bis 1. März die Ausstellung „Impressionismus“ mit Arbeiten von Monet bis Gauguin zu sehen. Überhaupt arbeitet die Präsentation klug mit Querverweisen ins Haus; entstanden ist weniger eine Blockbuster-Ausstellung, die mit ihren Starkünstlern im Grunde überall stattfinden könnte, sondern eine Schau, die eng mit der Kunsthalle verknüpft ist.
Hochkarätige Leihgaben
Werke aus dem eigenen Bestand, darunter die hauseigene, umfangreiche Sammlung spanischer Grafik, korrespondieren hier mit hochkarätigen Leihgaben: Goyas „Die Tabakzöllner“ (1780) kommt aus dem Madrider Prado, Giovanni Domenico Tiepolos „Die Beweinung“ (1755–1760) aus der Londoner National Gallery. Und ebenso wie die Verknüpfung der Ausstellung in den Kunsthallen-Kosmos funktioniert die gedachte Verbindung der Künstler untereinander.
Das Hubertus-Wald-Forum ist mit Zwischenwänden unterteilt in eine zersplittert wirkende Ausstellungsarchitektur, die immer wieder originelle Sichtachsen eröffnet und damit ein vergleichendes Sehen erlaubt.
Aus den bei den Tiepolos häufig auftauchenden orientalisch wirkenden Kopfbedeckungen entwickelt sich so eine Motivverwandtschaft zu Fragonards „Kopf eines Mannes mit weißem Turban“ (1774), und eine Ecke weiter sieht man Goyas „Selbstbildnis im Atelier“ (1790–95), in der der Künstler sich ebenfalls mit einem auffälligen Kopfschmuck präsentiert.
Anderswo steht Fragonards idyllische „Gesellschaft im Freien“ (1557–59) in Verbindung zu Goyas ganz ähnlicher „Landpartie“ (1776–88), mit dem kleinen Unterschied, dass das von Fragonard geschilderte amouröse Spiel bei Goya zu einem wüsten Gelage ausartet. Schön auch das Kapitel „Welttheater“, das die Bezüge zur Commedia dell’arte bei Goya und den Tiepolos herausstellt – und hinter einer Trennwand ein Faksimile von Carlo Goldonis Komödie „Der Diener zweier Herren“ als Tapete versteckt, während aus dem Off Strawinskys „Pulcinella-Suite“ zu hören ist.
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An dieser Stelle verlässt die Ausstellung den engen Kontext der Malerei und öffnet den Raum zu Theater, Ballett und klassischer Musik. Dass grafische Folgen und Karikaturen am Ende unspektakulär in enge Kabinette gepfercht sind, ist da ein wenig schade. Auf der anderen Seite ist die Ausstellung ansonsten so klug gehängt, dass man das nachsieht – die Erkenntnis, dass die Moderne mit Goya, Fragonard und Tiepolo zwar nicht anfing, aber doch zumindest eine Vorahnung weckte, liefert die Präsentation allemal.
„Goya, Fragonard, Tiepolo. Die Freiheit der Malerei“ bis 13. 4., Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, Öffnungszeiten Di/Mi, Fr/Sa/So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr. Informationen unter www.hamburger-kunsthalle.de; der Ausstellungskatalog kostet 29 Euro, statt eines Audioguides hilft die App der Kunsthalle.