Hamburg. Produktionsfirma Wüste Film aus der Schanze feiert beim Filmfest Jubiläum. Das steckt hinter dem staubtrockenen Namen.
Die Wüste lebt. An diesem Satz kommt man bei dieser Geschichte überhaupt nicht vorbei, und das ist auch gut so. Die Filmproduktionsfirma Wüste Film aus der Schanze feiert ihren 30. Geburtstag und ist auf dem besten Weg, ein ähnlicher Klassiker zu werden wie Disneys gleichnamiger Dokumentarfilm aus dem Jahr 1953. Gefeiert wird an diesem Sonnabend passenderweise während des Filmfests, wo am Sonntag auch die neueste Wüste-Produktion, der „Tatort: Die Goldene Zeit“ mit Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz, gezeigt wird.
In der Filmfest-Reihe Televisionen lief am Freitag auch die neueste „Nachtschicht: Cash & Carry“. Regisseur Lars Becker gehörte 1989 zusammen mit Ralph Schwingel und Stefan Schubert zu den Gründungsmitgliedern von Wüste Film. Warum dieser staubtrockene Name? Schubert erzählt, Freunde hätten damals das Restaurant Nil betrieben, die Produktionsfirma residierte zwei Etagen darüber. „Nil und Wüste…“, sagt Schubert und lacht, denn es war dann doch etwas anders.
Sein Kompagnon Schwingel hatte schon vor der Gründung der Wüste einen Dokumentarfilm über den Umgang mit Deserteuren im Zweiten Weltkrieg und danach gedreht. „Der NDR rief bei ihm an und fragte, wie heißt denn eure Firma? Der Zeitdruck war groß“, erinnert sich Schubert. „Sie dachten Deserteure, Desert-eure, englisch desert, Wüste, das war’s.“ Als dann Wüste Film gegründet wurde, hatte Schwingel seinen Namensvorschlag schon parat.
Mehr als 50 Filme gehören zum Portfolio
Das Gründungs-Trio blieb jedoch nicht lange zusammen. Becker stieg bald aus, weil er eigene Filme machen wollte. Später wechselte auch Schwingel die Pferde. Er arbeitet inzwischen als Psychotherapeut in Hamburg. Aber als Triumvirat funktioniert die Wüste auch heute wieder. Stefan Schubert arbeitet mit Björn Vosgerau und Uwe Kolbe zusammen.
„Wir haben viel zu tun, wir stemmen gerade sehr viel gleichzeitig“, sagt Vosgerau. Mehr als 50 Filme haben die Wüstenfüchse schon auf dem Tacho. Aktuell drehen sie einen Dokumentarfilm, einen Thriller für die Degeto und noch einen „Tatort“. Im kommenden Jahr stehen dann wieder zwei Kinofilme an.
Begonnen haben sie bei Wüste mit Arthouse-Filmen. „Als wir anfingen, gab es außer uns, sehr viel Studio Hamburg, Ottokar Runze und einem Kollektiv um Claudia Schröder und Rolf Schübel nicht viel“, erinnert sich Schubert. In den ersten 20 Jahren hat man bei Wüste Film fast nur Independent-Kino produziert, nur drei TV-Produktionen waren dabei. Irgendwann stand ein Schüler vor der Tür von Wüste, ein Junge aus Ottensen, der gern Filme machen wollte.
Fatih Akin startete bei Wüste Film
1995 konnte Fatih Akin seinen ersten Kurzfilm „Sensin – Du bist es!“ für Wüste inszenieren. Da war noch nicht abzusehen, dass aus ihm einer der bekanntesten deutschen Filmemacher werden würde – auch im Ausland. Der Goldene Bär, den Akin 2004 mit „Gegen die Wand“ gewinnen konnte, steht auf dem Trophäenregal im Wüste-Büro. Nach vier Filmen trennten sich die Wege. „Wenn man in diesem Gewerbe so lange überleben will, geht das nur, wenn man sich treu bleibt und sich verändert!“, sagt Vosgerau.
Für die Firma sei es eine Chance gewesen, als der NDR sie aufforderte, mal einen „Tatort“ zu entwickeln, so Schubert. Mittlerweile sind es schon neun. „Die Art und Weise, wie wir mit den Kreativen umgehen, nämlich mit Herzblut, lässt sich ins Fernsehen übertragen. Wir sind eine leidenschaftliche Manufaktur.“ Dass die Wüste lebt, sieht man auch daran, dass sie sich den Gegebenheiten des Marktes anpasst. So war die Produktionsfirma an der ansonsten spanisch-polnisch-belgischen Koproduktion „Another Day Of Life“ beteiligt, der einen Europäischen Filmpreis als bester Animationsfilm gewann. „Ab einem gewissen Budget ist ein Film mit nationalen Mitteln allein nicht zu finanzieren“, erklärt Kolbe.
Große Konkurrenz im Serien-Geschäft
Was derzeit im Filmbereich zählt, sind jedoch Serien. „Die gucken und entwickeln wir gern“, sagt Schubert. Durch den „Tatort“ habe die Firma eine Menge Produktionserfahrung gesammelt. „Die Herausforderung für uns ist, eine Serie so weit zu entwickeln, dass man sie anbieten kann. In dem Geschäft gibt es natürlich viel Konkurrenz“, so Vosgerau. Bei Wüste haben sie mit der Stoffentwicklung für eine Thriller-Serie begonnen, die Anfang der 90er in der ostdeutschen Provinz spielt. Headwriter ist die Hamburger Autorin Catharina Junk. Pilotbuch und „Serienbibel“ sind fertig.
Thomas Stuber ist als Regisseur vorgesehen. Bisher allerdings gibt es für Serien bei der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein keinen Fördertopf. „Vielen Leuten ist klar, dass es keine gute Idee ist, wenn Hamburg womöglich am Ende als einziger Standort nicht in der Lage ist, Serienprojekte zu unterstützen“, stellt Schubert klar. Zehn Millionen Euro würde so eine Serie wohl kosten. Das, finden die drei Produzenten, müsse aus verschiedenen Töpfen kommen.
Aber jetzt soll erst einmal gefeiert werden. Der neue Wüste-„Tatort: Die goldene Zeit“, der an diesem Sonntag (21.00, Cinemaxx 3) beim Filmfest auf großer Leinwand gezeigt wird, spielt auf dem Kiez, Regie führt die junge Hamburger Regisseurin Mia Spengler. Im Fernsehen wird er erst im kommenden Frühjahr ausgestrahlt.