Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt in der Grafikdesign-Schau „All Over“ das Comeback der Siebdrucktechnik.
Design ist alles, alles ist Design. Kaum ein Ding, das nicht von uns gestaltet, geformt oder verändert wird. Letztlich besteht unsere ganze Welt aus Gestaltung. Das zeigt schon die erste große Ausstellung, die Tulga Beyerle im Frühjahr dieses Jahres am Museum für Kunst und Gewerbe eröffnet hat: „Social Design“ präsentiert noch bis zum 27. Oktober innovative Ideen, die unsere (Um)Welt besser und schöner machen.
Und nun kommt mit „All Over. Neues Grafikdesign aus den Niederlanden“ noch eine Schwester-Ausstellung dazu: Sie zeigt, wie professionelle Grafiker ihren Stand behaupten in einer Zeit, in der durch die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung alles machbar scheint – auch, dass das Entwerfen von Plakaten, Logos oder Werbung keine Kunst mehr ist. Die beiden Protagonisten Harmen Liemburg, Jahrgang 1962, und Richard Niessen, Jahrgang 1972, werden hier stellvertretend für eine Generation Kreativer präsentiert, die sich gerade deshalb auf traditionelle, qualitativ hochwertige Techniken besinnt: Ihre im Siebdruck hergestellten Arbeiten sind Kunstwerke. Völlig zu Recht werden die 70 Plakate und 30 kleinformatigen Drucke nun im Museum ausgestellt.
Er entwarf auch Plakate für Popkonzerte
Harmen Liemburg studierte Sozialgeografie und Kartografie in Utrecht und entwarf neben seinem Studium Plakate für Popkonzerte. Später wechselte er für ein Grafikdesign-Studium an die Gerrit Rietveld-Akademie in Amsterdam, wo er auf Richard Niessen traf. Nach Abschluss ihres Studiums 1998 gründeten die beiden das Künstlerkollektiv „Golden Masters“. 2002 lösten sie ihre Ateliergemeinschaft auf und arbeiten seitdem eigenständig als freie Grafikdesigner.
Während Harmen Liemburg Schönheit in scheinbar banalen Dingen wie Verkehrszeichen, Schildern und Verpackungen findet, diese verfremdet und zu neuen Bild- und Textfragmenten zusammensetzt, sodass sie ihre ursprüngliche Aussage gänzlich verlieren, verwendet Richard Niessen Schriften, Ornamente, Farben und Muster für sein „Typografisches Mauerwerk“ wie ein Architekt sein Baumaterial.
Energiegeladene Bilder
Die Montagen „Le Petit Cobra“ (2013) und „Kunstwerk Funen – Gabriel Lester“ (2010) ziehen den Betrachter allein durch ihre Ästhetik in Form von kräftigen Farben und energiegeladenen Bildern in den Bann – erst auf den zweiten oder dritten Blick entdeckt man, dass es auch der Inhalt in sich hat. So wie auch bei Harmen Liemburgs Arbeit „Inferno“ von 2011: Da liegt doch tatsächlich der italienische Stiefel wie ein Kotelett auf dem Grill – Plakatkunst kann auch politisch wirken. Dass der Mann die Werbung zum Festival „Mondi dei Graphic Design“ (Die Welt des Grafikdesigns) angefertigt hat, erscheint da nur folgerichtig.
„All Over“ zeigt, dass Spiel und Vorstellungskraft den Grafikdesignern bei ihrer Arbeit oft wichtiger sind als Klarheit und Tradition, so wie einst schon den Surrealisten. In Konkurrenz zur digitalen Bilderflut verwundert dies nicht. Und was wäre letztlich die Welt ohne die Vorstellung, dass wir sie immer etwas schöner und besser machen können?
All Over. Neues Grafikdesign aus den Niederlanden“ 13.9. bis 5.1.2020, Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz 1, Di–So 10.00–18.00, Eintritt 12,-/8,- (ermäßigt), www.mkg-hamburg.de