Hamburg. Eine grundsympathische Neneh Cherry singt alte Hits wie „Manchild“ und neue Songs im Gruenspan.

1989 knutschte der damals 16-jährige Autor zum ersten Mal exzessiv, und im Hintergrund lief Neneh Cherrys „Manchild“. Die kritische Distanz geht durch diese Erinnerung natürlich flöten, aber dass „Manchild“ im Gegensatz zur Kusspartnerin in der Erinnerung präsent blieb, spricht für den Song.

In den Folgejahren war Cherry nie wirklich weg, verschwand aber aus dem Fokus. 1994 hatte sie mit dem vom Formatradio zu Tode gedudelten „7 Seconds“ noch einen Welthit im Duett mit Youssou N’Dour, spielte mit Künstlern von Peter Gabriel bis Damon Albarn und gründete 2005 die Elektroband CirKus. Vor fünf Jahren dann meldete sich die damals 50-Jährige mit dem dunkel pochenden TripHop-Album „Blank Project“ zurück, das sich zwar nur schleppend verkaufte, Cherrys Position als Visionärin eines eklektizistischen Sounds zwischen Pop, Soul und Rap aber nachhaltig festigte. Weswegen der Nachfolger „Broken Politics“ am Sonnabend im Grünspan vor einer durchaus beeindruckenden Publikumsmenge vorgestellt werden konnte, mit Altfans aus den Achtzigern neben jungen Hipstern, für die Cherry so etwas wie die Urgroßmutter einer grenzenlosen Popästhetik ist.

Vibraphon und Steeldrums erweiterten den Sound konsequent

Grenzenlos war jedenfalls die Performance der Sängerin und Rapperin, die mit achtköpfiger Band auf der Bühne stand. Für elektronische Musik untypische Instrumente wie Harfe, Vibraphon und Steeldrums erweiterten den Sound konsequent. Dass diese auch gut per Computer hätten eingespielt werden können, ist da eher zweitrangig: Wichtig ist die Haltung, die Pop jenseits von Beschränkungen zu denken versucht.

Cherry derweil gab sich gutgelaunt, selbstironisch, uneitel – ein ehemaliger Weltstar, der weiß, dass Allüren total von gestern sind. Und der sich auf die Qualität der neuen Songs verlassen konnte: Tatsächlich erwiesen sich die frühen Hits wie „Buffalo Stance“ (und, ja, auch „Manchild“) als nicht besonders gut gealtert, im Vergleich zum düsteren TripHop der vergangenen Jahre, dem spartanischen „Kong“, dem nur von Vibraphon und Elektronik begleiteten „Synchronised Devotion“.

Cherry tourt aktuell die Festivals von Glastonbury bis Roskilde

Nach knapp 90 Minuten war das Konzert vorbei: Cherry tourt aktuell die Festivals von Glastonbury bis Roskilde, ein Soloauftritt zwischendurch hat entsprechend nur eine kurze Setlist. Trotzdem: ein begeisterndes Konzert, plus die Erkenntnis, dass man Jugenderinnerungen irgendwann auch mal loslassen muss.