Hamburg. „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“, ein Münchner Gastspiel, ist harter Stoff. Die Schauspieler gehen an die Grenzen.
Für zwei Zuschauerinnen ist es zu viel, was sie auf der Bühne sehen. Nach etwa einer halben Stunde verlassen sie das Haus im Park, während auf der Bühne ein junger Mann von zwei Mitschülern gequält und vergewaltigt wird. Robert Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“ ist harter Stoff. Regisseur Dieter Nelle hat den 1906 erschienenen Roman mit vier Schauspielern für das Münchner Teamtheater Tankstelle inszeniert. Im Rahmen der Privattheatertage gastiert es im Bergedorfer Haus im Park und wird am Ende von den Zuschauern gefeiert.
Auch wenn es in der Bearbeitung des Romans für die Bühne eine Reihe von sadistischen Szenen gibt, die nur schwer auszuhalten sind, überzeugt die theatrale Umsetzung durch Nelle und seine Schauspieler. Der Regisseur zeigt Machtmissbrauch am Beispiel von vier jungen Männern, die sich an einem Provinz-Internat während der österreichischen k.u.k.-Monarchie begegnen.
Moral und Gesetzestreue
Basini (Axel Brauch) hat von seinem Mitschüler Beineberg (Olaf Becker) Geld gestohlen. Zusammen mit Reiting (Adrian Spielbauer), einem anderen Mitschüler, macht er Basini zum Sklaven. Für Basini wären der Ehrverlust und das Bekanntwerden des Diebstahls schlimmer als die Demütigungen und Vergewaltigungen, denen er sich in sadomasochistischer Weise hingibt. Musils Titelfigur Törless (Peter Blum) ist hin- und hergerissen zwischen Abscheu über die Exzesse der Freunde und einer homoerotischen Zuneigung zu Basini.
Er steht für Moral und Gesetzestreue, aber auch für jugendliche Verwirrung. Am Ende lässt er sich nicht erpressen und rät auch Basini, sich den Lehrern des Internats zu offenbaren. Beineberg und Reiting sind dagegen korrupte und machtbesessene Sadisten, die einen Heidenspaß damit haben, den wehrlosen Basini zu quälen und ihre Exzesse mehr und mehr zu steigern. Sie verkörpern arrogante Haltungen und eine anmaßende Überlegenheit, aus der später in Deutschland und in Österreich der Nationalsozialismus entstehen sollte.
Perfides Spiel
Die vier jungen Schauspieler gehen in ihrem Spiel an die Grenzen und verdeutlichen, welche verheerenden Auswirkungen Machtmissbrauch und autoritäre Strukturen haben können. Regisseur Nelle lässt sie auf einer leeren Bühne agieren, manchmal fast dunkel und nur von einer Kerze und dem Schein einer Taschenlampe beleuchtet.
Dann ist die Bühne so schwarz wie die Gedanken und die Seelen der Protagonisten in diesem perfiden Spiel. Wie schon Nelles Bearbeitung von „Emmas Glück“ am Freitag im Monsun-Theater ist auch sein „Törless“ ein starkes Stück Theater mit guten Chancen, einen der Monica-Bleibtreu-Preise bei den Privattheatertagen zu gewinnen. 2016 hat er den Preis bereits für seine Inszenierung von Shakespeares „Das Wintermärchen“ gewonnen.