Hamburg. Drei Stile, drei Perspektiven. Die neuen Alben der Hansestadt klingen alles andere als öde. Auf die Ohren.
Dreimal deutschsprachige Popmusik aus Hamburg. Drei Stile. Drei Perspektiven. Es ist toll zu hören, dass aktuelle Alben aus dieser Stadt angenehm unterschiedlich, aber alles andere als öde klingen. Zunächst wäre da die Band mit dem wunderbaren Namen Der Bürgermeister der Nacht. Irgendjemand muss sich ja um die Belange an Elbe und Alster kümmern, wenn die Mächtigen schlafen. Mit fröhlich trunkenem bis nervösem Indierocksound führt uns die Band in subkulturelle Zwischenräume. In jene kontroversen Gefilde also, die die Stadt vor Blutleere und Sauerstoffarmut bewahren.
Das Quartett um Sänger Fynn Steiner und Gitarrist Joachim Franz Büchner erkundet auf seinem zweiten Album „Viel Spaß in der Zukunft“ (Misitunes/ZickZack) das urbane Leben zwischen Depression und Überspanntheit. Hamburg ist dabei nicht die Marketingschönheit, sondern ein „bunter Stein“, ein „Biest“, wie es im Song „Motten“ heißt. Ein Ort, an dem die Scheren weit aufklappen, wie Steiner im Titelstück proklamiert: „Dein Hamburg ist das Tor zur Welt für Waren und Rendite / für alle anderen gibt es dann noch die Gefahrengebiete“. Die zornigen bis zynischen Beobachtungen machen vor der eigenen Klientel nicht halt, illuster besungen in einem Stück wie „Daniel Richters Gartenparty“. Und die ein oder andere in der Lyrik entworfene Utopie findet ihren Weg durchaus in die Realität – in Form von Komplizenschaften. Der Bürgermeister der Nacht lud, um die neue Platte zu feiern, zum 24-Stunden-Konzert mit zahlreichen Künstlerinnen und Musikern. So schön gemeinschaftlich und grenzüberschreitend, als sei die Zukunft bereits eingetroffen.
Unter korrekter Verwendung des Genitivs, aber ohne Moralkeule
Musikalisch noch eingängiger verhandelt die Hamburger Band Botschaft Gegenwart und Vergangenheit. Mit „Sozialisiert in der BRD“ hat die Formation um Sänger und Gitarrist Malte Thran einen kleinen klugen Hit geschaffen. Es geht darum, wie der Arbeitsethos das Aufwachsen in den 80er- und 90er-Jahren prägte. Solch komplexe Gedanken mit schwelgerischer Wehmut vorzutragen und in ultraleichten Popsound zu verpacken, ist eine feine Kunst. Botschaft, das ist tanzbare Philosophie. Das ist von der guten Seite der 80er-Jahre inspirierter Schöngeistpop (The Smiths, Prefab Sprout!). Und das alles unter korrekter Verwendung des Genitivs, aber ohne Moralkeule. Denn wer sein Debütalbum „Musik verändert nichts“ (Tapete Records) nennt, der möchte nicht belehren. Der macht eher Angebote, als Appelle zu senden. Umso mehr lohnt es sich, bei hintertürigen Songs wie „Herrschaftsfrei“ und „Daseinszweck“ genau hinzuhören.
Lustig verspulte Durchlüftung fürs Hirn liefert schließlich Ove mit seinem dritten Album „Abruzzo“ (Tapete Records). Zwar sind die neuen Songs nicht an dem italienischen Sehnsuchtsort, den titelgebenden Abruzzen, aufgenommen worden, sondern in Nordfriesland. Doch ist Sympathieträger Ove Thomsen und seiner Band eine musikalisch sonnendurchflutete Platte gelungen. Hell gestimmte Gitarren und euphorisierende Chöre, Afrobeat, Folk, Funk, Spielfreude und Lässigkeit. Eingewirkt in diesen Sound sind Wander- und Radelgeschichten, Aussteigerfantasien sowie Fragen über Fragen. Etwa: „Ist das Universum manchmal allein?“ Mal drüber nachdenken. bir