Hamburg. Lackkunst aus Ostasien wird in einer Ausstellung inmitten einer Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe präsentiert.

„Atschüss Karl Lagerfeld“ ist auf einer kleinen Tafel im Entree des Museums für Kunst und Gewerbe zu lesen (ein Begriff, der vom Französischen Adieu abgeleitet ist). Dahinter sind zwei Modelle des gerade verstorbenen Hamburger Modeschöpfers ausgestellt. Mit dem senfgelben Mantel gewann Lagerfeld 1954 den ersten Preis des Internationalen Wollsekretariats; das weiße Kostüm mit Matrosenkragen und Elbsegler aus der Métiers d’Art-Kollektion Paris-Hamburg schenkte Chanel dem Museum anlässlich der Modenschau in der Elbphilharmonie am 6. Dezember 2017.

Nachdem sich die Besucher andächtig davor versammelt haben, können sie sich einem weiteren extrem kostbaren Kulturgut widmen: Mit der Ausstellung „Luxus pur. Lack aus Ostasien“ stellt das Museum 300 seiner sensibelsten Schätze aus. Detailverliebte Schmink- und Spielkästchen, Dosen mit geschnitztem Granatapfeldekor oder in Form einer Lotusblüte, reich verzierte Tee- und Sakeschalen in intensivem Rot.

Lackkunst als Ausdruck von Status und Persönlichkeit


Gebrauchsgegenstände, ja. Aber in ihrem Glanz, ihrer farblichen und motivischen Vielfalt absolut betörend. Findet auch Direktorin Tulga Beyerle: „Ich bin durch unsere Ostasien-Sammlung zum ersten Mal in Kontakt mit diesen Schätzen gekommen. Beim Anblick von schimmerndem Perlmutt und tiefem Schwarz ist man schon verloren. Diese Faszination lässt einen nicht mehr los.“

In der traditionellen Lackkunst materialisiert sich die Kultur Chinas, Koreas, aber vor allem Japans. Bis heute ist sie in ihrer Ausdruckskraft unerreicht, zählt sie zu den lebenden Nationalschätzen, die gehegt und gepflegt werden. 1868 fing man an, auch für den Export nach Europa zu produzieren. Dortige Versuche, die Lackkunst zu imitieren, als sogenanntes Japanning bekannt, scheiterten.

Ein Lacküberzug besteht aus durchschnittlich 30 Schichten

Was macht diesen Lack so besonders und wertvoll? „Der milchige Saft aus dem Lackbaum ist giftig und verätzt die Haut“, berichtet Kuratorin Wibke Schrape. „Erst durch die Verarbeitung wird aus ihm eine glasklare, glänzende Oberflächenversiegelung, die Hitze und Feuchtigkeit gleichermaßen standhält.“ Über Jahrhunderte habe sich der pflanzliche Lack nur mit bestimmten Pigmenten einfärben lassen. Daher dominieren die Farben Schwarz, Rot, Gold und Perlmutt die Ästhetik historischer Gegenstände. Ein hochwertiger Lacküberzug besteht durchschnittlich aus 30 Schichten, die hauchdünn auf Papier, Holz oder Keramik aufgetragen werden. Die Aushärtung findet idealerweise bei sommerlichen Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 85 Prozent statt. Auf der einen Seite kann der Lack die Form so über Jahrhunderte schützen; er ist aber auch extrem empfindlich, weiß Wibke Schrape. „Luxus verpflichtet. Um die Kunstwerke aus Lack ausstellen zu können, war große konservatorische Womanpower nötig.“

Die große Deckeldose in Form einer Lotosblüte besteht aus Schwarzlack, Perlmutteinlagen und Metall auf Holz.
Die große Deckeldose in Form einer Lotosblüte besteht aus Schwarzlack, Perlmutteinlagen und Metall auf Holz. © Maria Thrun | Maria Thrun

Justus Brinckmann legte das Fundament für die Sammlung

Für asiatische Aristokraten, Kriegsadlige und wohlhabende Kaufleute war die Lackkunst Ausdruck von Persönlichkeit, kultureller Identität und sozialem Status. Und auch heute ist Lackkunst Statussymbol in Japans gesellschaftlicher Elite, gehört es in gehobenen Restaurants dazu, von Lackgeschirr zu speisen, während Fastfood-Ketten Becher und Teller aus Kunststoff imitieren.

Häufig werden die Gegenstände mit Familienwappen versehen und als Geschenke der Wertschätzung überreicht. So etwa ein Muschelhorn oder ein Kosmetikkästchen, das der berühmte Sammler Hayashi Tadamasa Justus Brinckmann 1904 schenkte, bevor er aus Paris nach Japan zurückreiste. Der Gründungsdirektor des Museums für Kunst und Gewerbe legte auch das Fundament für die heutige Ostasien-Sammlung.

Mit „Luxus pur“ wagt das Haus den ersten Schritt zur Neuerschließung dieser Sammlung. Es ist eine Ausstellung inmitten der Sammlung, über zwei Stockwerke verteilt. Das bedeutet, dass man die Objekte zum Teil suchen muss; sie sind in ihren jeweiligen Kontext integriert. So tauchen die Besucher in eine Welt von Zen-Kunst, Buddhismus, Samurai-Kampf und Tee-Zeremonie ein. Holzschnitte von Familienfeiern und Nachmittagen im Salon veranschaulichen, wie die luxuriösen Lackkunstwerke den Alltag versüßen. Nur Shibata Zeshin ist ein eigener Raum mit Bildern und Kunstgegenständen gewidmet; er ist schließlich der bedeutendste Lackkünstler des 19. Jahrhunderts.