Hamburg. Bauhaus und Orgelmusik in der Spiegelkantine: Die neue Direktorin Tulga Beyerle stellte ihr Programm für 2019 vor.

Alle Plätze belegt auf der Jahrespressekonferenz am Dienstagvormittag. Nicht der leckeren Schnittchen wegen, sondern weil Tulga Beyerle, seit 1. Dezember neue Direktorin am Museum für Kunst und Gewerbe, ihr Programm für das kommende Jahr vorstellte. Zunächst kam aber noch die erfreuliche Nachricht vom Kaufmännischen Direktor Udo Goerke, dass 2018 mit 180.000 Besuchern ein erfolgreiches Jahr war – „mit 20.000 mehr Besuchern lagen wir sogar über Plan“, so ­Goerke. Hauptsächlich „68. Pop und Protest“ und der „Glücksfall Otto“ hätten für ein ausgleichendes Ergebnis, am Ende vielleicht sogar mit einem kleinen Überschuss, gesorgt.

Eine gelungene Ausstellung aber nur in der Maßeinheit „Otto“ zu messen, so einfach will es sich das Kuratorenteam um Tulga Beyerle freilich nicht machen, um in ihrem Jargon zu bleiben. Gesellschaftskritisch, experimentell, mitgestaltend – auf diesen Nenner könnte man das Programm in Kürze bringen.

Hochkarätige Ostasien-Sammlung wird erschlossen

Die Ausstellung „Darum wählt! Plakate zur ersten demokratischen Wahl in Deutschland“ (ab 19. Januar) widmet sich dem ersten von vier anstehenden Jubiläen: Vor genau 100 Jahren wurde das erste Parlament der Weimarer Republik zum ersten Mal demokratisch gewählt. Jubilierend geht es im Frühjahr weiter, wenn „Ein lebendiges Museum ...“ eröffnet. Darin wird die Verbindung von Max Sauerlandt, von 1919 bis 1933 Direktor am MKG, zu den Künstlern der Hamburgischen Sezession mit Werken aus der Haspa-Galerie gezeigt, darunter Anita Rée, Rolf Nesch und Eduard Bargheer. Auch die Sezession, die das Kunstleben nach Ende des Ersten Weltkriegs aktiv gestaltete, feiert 2019 ihr 100-jähriges Bestehen.

Theodore Lux Feininger, Sohn von Lyonel Feininger, fotografierte 1928 Gret Palucca beim Hinaufklettern seines Elternhauses.
Theodore Lux Feininger, Sohn von Lyonel Feininger, fotografierte 1928 Gret Palucca beim Hinaufklettern seines Elternhauses. © Nachlass von T. Lux Feininger | Nachlass von T. Lux Feininger

Im Rahmen der bundesweiten Initiative „Kunst auf Lager“ wird derzeit die hochkarätige Ostasien-Sammlung des Museums erschlossen. In der für Februar geplanten Schau „Luxus pur. Ostasiatische Lackkunst“ wird die Faszination, die das edle Material aus Japan, China und Korea auf Europäer ausübte und von ihnen nie imitiert werden konnte, anhand von Schalen, Schmuckkästchen und Spielen veranschaulicht.

Zwei Frühjahrs-Ausstellungen sind „Social Design“ und „Gegen die Unsichtbarkeit

Ein weiter Schwerpunkt aus der Sammlung ist die japanische Teekeramik. „Unter Freunden“ (ab 28. Juni) erzählt von der engen Beziehung zwischen sogenannten Teemenschen zu ihren ritualisierten Gefäßen. Darunter sind auch 50 Exponate, die MKG-Gründungsdirektor Justus Brinckmann erwarb, als Erster wissenschaftlich aufarbeitete und somit den Japonismus nach Deutschland brachte. Dass Japan an der Ostsee beginnt, beweist Jan Kollwitz, der seine Keramik seit über 30 Jahren in einem original japanischen Holzofen im schleswig-holsteinischen Cismar brennt. Sein Teefreund Christoph Peters schrieb darüber ein Buch.

Zwei Frühjahrs-Ausstellungen, die der neuen Direktorin besonders am Herzen liegen, sind „Social Design“ und „Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der Deutschen Werkstätten Hellerau 1898 bis 1938“. Erstere, weil sie Gestaltung – Kernkompetenz von Tulga Beyerle – unter die Lupe nimmt und hinterfragt, wie menschenfreundlich oder eben -feindlich sich der Mensch seine Umwelt formt.

Zweitere, weil sie ein Mitbringsel aus ihrer Dresdner Zeit am Kunstgewerbemuseum ist. „In den Werkstätten Hellerau wirkten nicht nur namhafte Gestalter, sondern auch viele talentierte Frauen daran mit, dass Dresden neben München zum Zentrum der internationalen Reformbewegung wurde. Die Designerinnen aber wurden von der Geschichtsschreibung nach 1945 nicht berücksichtigt“, so die 54-Jährige.

Hamburg feiert mit beim großen Bauhaus-Geburtstag

Auch der Fotografie wird in drei Ausstellungen viel Raum gegeben: Die Reihe „Fotografie neu ordnen“ stellt ab Juni die Fotoszene der 1980er-Jahre vor; ab Dezember folgt „Das zweite Original“ zum Thema Reproduktionen. Und natürlich feiert auch Hamburg mit beim großen Bauhaus-Geburtstag: „Der Amateur. Von Bauhaus zu Instagram“ (ab 27. September) erforscht die Schnappschuss-Ästhetik der vergangenen 100 Jahre, von Theodore Lux Feininger bis Amalia Ulman, die in ihren Online-Performances Selfies von fiktiven Persönlichkeiten schafft.

Mit „Manufaktur des Klangs. 2000 Jahre Orgelbau und Orgelspiel“ wird dem 300. Todestag des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger (1648–1719) gedacht und das Wunderinstrument untersucht. Die Sommer-Ausstellung geht über den üblichen Museumsrahmen hinaus und lädt zu Exkursionen in Schulen und Kirchen, in die Universität, den Sendesaal des NDR, in die Staatsoper und die Elbphilharmonie.