Hamburg. Ehemaliger Museumschef Uwe M. Schneede über die personelle Situation in der Kunsthalle und den Stand der Raubkunst-Forschung.
Die Hamburger Kunstwelt hat ihn lange beschäftigt: Uwe M. Schneede, der am 3. Januar seinen 80. Geburtstag feierte, war 15 Jahre lang (1991 bis 2006) Direktor der Hamburger Kunsthalle, vorher hatte er unter anderem den Kunstverein der Stadt geführt. Schneede ist international renommiert, er wird und wurde stets geschätzt – auch wenn man ihm ein durchaus strenges Regiment nachsagt.
Aus Anlass seines runden Geburtstages veranstaltete die Kunsthalle kürzlich ein Symposium zum Thema „Raubkunst. Forschung und Öffentlichkeit“ – ein Feld, das den Kunsthistoriker Uwe Schneede während seiner gesamten Laufbahn umgetrieben hat, zuletzt als wissenschaftlicher Gründungsvorstand der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg. Ein Gespräch über die Bedeutung des Themas Raubkunst für die Gegenwart – und über die Situation der womöglich bald führerlosen Kunsthalle, nachdem Schneedes Nachnachfolger Vogtherr nun nach nur zwei Jahren den Direktorenposten verlassen will.
Kultursenator Carsten Brosda zufolge ist Hamburg längst nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg, was die Erforschung von Raubkunst angeht. Wo würden Sie sagen, steht Hamburg und speziell die Kunsthalle dabei?
Uwe Schneede: Seitdem die Kunsthalle 2005 als erstes deutsches Museum die Provenienzforschung zu NS-Raubgut als dauerhafte Aufgabe erkannt und deshalb eine feste Stelle eingerichtet hat, wird dort systematisch an der Herkunftsgeschichte der eigenen Kunstwerke gearbeitet. Das gilt längst auch und besonders für das Museum für Kunst und Gewerbe wie für die Staats- und Universitätsbibliothek.
Bei dem Symposium waren namhafte Experten und fast alle Museumsdirektoren der Stadt vertreten. Warum ist das Thema jetzt gerade so wichtig?
Schneede: Es war an der Zeit, einmal zusammenzufassen und vor allem öffentlich zu machen, in welch großem Umfang in Hamburg zur NS-belasteten Herkunft von Kunstwerken, Objekten und Büchern geforscht wird – ein ganz wichtiger Beitrag zur Erinnerungsarbeit. Hinzu kommt, dass kürzlich eine entsprechende Juniorprofessur an der Universität geschaffen wurde, also eine Art Überbau in Lehre und Forschung.
Sind die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Tendenzen ein Motor für Provenienzforschung, oder führen sie eher dazu, das Thema zu verdrängen?
Schneede: Ich denke, in den Museen und Bibliotheken stärken alle heutigen rückläufigen Tendenzen das Bewusstsein für unsere moralische Verantwortung gegenüber dem Unrecht, das Menschen angetan worden ist, wegen ihrer Religionszugehörigkeit oder wegen abweichender Meinungen.
Das Symposium fand in Ihrer alten Wirkungsstätte statt. Die Kunsthalle hat ja im vergangenen Jahr eher personell als inhaltlich von sich reden gemacht. Wo drückt der Schuh Ihrer Meinung nach?
Schneede: Dass die Kunsthalle ein fantastisches personelles, fachliches Potenzial hat, kann, denke ich, viel mehr genutzt und ideenreich gefördert werden. Ich weiß es nicht, aber vielleicht steht mittlerweile zu viel Bürokratie im Weg.
Auf Ihre Zeit zurückblickend: Worin bestand die größte Herausforderung als Kunsthallen-Direktor? Ist es – auch – die Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Kuratoren einerseits und neuer Direktion andererseits?
Schneede: Die größten Herausforderungen waren sicher, das klassische Haus an die Gegenwart heranzuführen (und deshalb die Galerie der Gegenwart mit Leben zu füllen), die „nachgeordnete Behörde“, die die Kunsthalle war, in eine selbstständige Stiftung zu überführen und das Haus mit hohem wissenschaftlichem und künstlerischem Anspruch gemeinsam mit den Mitarbeitern anziehungskräftiger zu machen.
Wird die Kunsthalle aus Ihrer Sicht von der Stadt anständig behandelt?
Schneede: Die staatlichen Theater und die Oper sind in Hamburg so ausgestattet, dass sie nicht dauernd um Sponsoren werben müssen, um ihre Projekte zu realisieren. Das ist gut so. Aber in diesen Stand müssen endlich auch die Kunsthalle und die anderen Museen versetzt werden.
Was muss ein neuer Direktor oder eine neue Direktorin mitbringen, was muss er oder sie wissen?
Schneede: Souveränität im Fachlichen, Gespür für aktuelle Tendenzen, auch in der zeitgenössischen Kunst, kluge Führung mit Gehör für die Mitarbeiter, Bereitschaft, sich auf die Stadt einzulassen und kulturpolitisches Engagement.