Hamburg. Die Kremerata Baltica spielte im Großen Saal opulent auf. Das Ensemble demonstrierte Präzision und filigrane Klangkultur.
Auf die Idee wäre vor zwei Jahren auch noch keiner gekommen: Dass die Klais-Orgel der Elbphilharmonie und ihre Titularorganistin Iveta Apkalna echte Stars werden. Das Debütkonzert im Januar 2017 war ein Triumph, die aktuelle Solo-CD ist auf Platz drei der Klassik-Charts, noch vor Hélène Grimaud und Yo-Yo Ma. Und beim Auftritt mit der Kremerata Baltica im Großen Saal wurden die beiden wieder ausgiebig bejubelt. Am Ende eines Programms, das Werke aus dem Baltikum mit Bach konfrontierte.
Peteris Vasks’ „Voices“ für Streichorchester tastet sich aus der Stille in eine Klangwelt von melancholischer Schönheit, erzählt die Geschichte von Naturliebe und Überwindung von Kämpfen allerdings etwas vordergründig und ausführlich. Die Minuten, die der Lette Vasks überzieht, hätte man gern dem Esten Lepo Sumera zugeschlagen, für das Stück „Symphone“, das einen eigenen Umgang mit der Minimal Music findet. Vor den Ohren ihres Gründers Gidon Kremer und des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder demonstrierte die Kremerata Baltica dort ihre Präzision und filigrane Klangkultur.
Voluminöser Orgelsound
Von der war in Bachs d-Moll-Konzert nur wenig zu erleben, weil das 22-köpfige Kammerorchester neben dem voluminösen Orgelsound von Apkalna weitgehend unterging. Der Solopart ist für das leisere Cembalo konzipiert, mit der Fassung für Orgel tut man der Musik keinen Gefallen. Wie sich eine Bearbeitung vom Original entfernen und damit neuen Reiz entfachen kann, war in der aufgepimpten Version von Bachs Violinchaconne zu erleben. Inspiriert von Busonis romantischer Klavierfassung, hat Gidon Kremer die Mehrstimmigkeit des Solostücks auf die Palette des Streichorchesters aufgefächert und damit einige hinreißende Farbwirkungen erzielt.
Nach diesem Höhepunkt baute das Programm effektvoll ab. Mit dem klanglich opulenten, aber ansonsten eher substanzarmen Orgelkonzert „Stimme des Ozeans“ von Eriks Esenvalds, das wie eine Filmmusik ohne Film über den Hörer hinwegbraust. Das Publikum feierte trotzdem und ließ sich zum Abschluss gern von einer Zugabe – Aivars Kalejs’ Toccata über „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“ – überwältigen. Da durften die beiden Stars auch endlich ihre ganze Strahlkraft entfalten.