Hamburg. Die Komödie „Hartenbreker – Ein besserer Herr“ im Ohnsorg-Theater nimmt das Publikum mit in die Zwanzigerjahre.
Der Freiraum vor der Treppe im ersten Stock des Foyers ist im Alltagsbetrieb des Ohnsorg-Theaters nur Durchgangsfläche. Nach Premieren am Heidi-Kabel-Platz jedoch lohnt sich das Verweilen hier fast immer. Das war auch am Sonntagabend nicht anders: Einmal mehr verstand es Intendant Michael Lang, alle Beteiligten vor und hinter den Kulissen der dritten Neuproduktion dieser Spielzeit mit seinen eigenen Worten zu würdigen. „Ein besserer Herr“ ist der Chef des Hauses damit zwar noch nicht, die plattdeutsche Erstaufführung der gleichnamigen Komödie Walter Hasenclevers unter dem Titel „Hartenbreker“ wirkte jedoch weder verstaubt noch kitschig – obwohl das Stück bereits 1927 uraufgeführt wurde.
Nach der recht aktuellen Komödie „Kalenner-Deerns“ zum Saisonauftakt und der Uraufführung von Siegfried Lenz’ Roman „De Mann in’n Stroom“ als Bühnenadaption mit Zeitreise ins Hamburg der 50er-Jahre führen Regisseur Frank Grupe und das vortreffliche zehnköpfige Ensemble die Zuschauer im Großen Haus nun in die „Goldenen Zwanziger“, mit Foxtrott und Charleston als passender Hintergrund- und Zwischenmusik. Eine Zeit also, in der die weiblichen Hausangestellten noch brav einen Knicks machten und die Rolle der Frau eine andere war als heute. In der es statt der jetzigen Großraumbüros und Homeoffices noch holzgetäfelte Kontore gab.
Gewiefter Frauentröster
Als gerissener Kontorist Rasper hat Erkki Hopf im neuen alten Stück zwar nur eine Nebenrolle. Was der Ohnsorg-Schauspieler jedoch aus dieser herausholt, nannte sein Chef Lang „eine Perle dieser Aufführung und zum Niederknien“. Und das nicht nur, weil der feine und feinsinnige Komödiant Hopf als vor sich hin brabbelnde und gackernde männliche Tippmamsell zugleich sein 25. Jubiläum am Ohnsorg feierte.
Seinen Dienstherrn, den „Hartenbreker“ Hugo Möbius, gibt in seiner zweiten Ohnsorg-Titelrolle nach „De Seewulf“ Ulrich Bähnk. Immer schick in Schale, spielt er hier einen gewieften Frauentröster und -versteher, von Berufs wegen so flauschig-biegsam wie eine Federboa einer seiner jeweiligen Favoritinnen. Sein Heiratsschwindler-Grundsatz: „Ich handele mit Gefühlen.“ Je nach Kontostand und Vorlieben der Auserwählten sowie Ernst der Lage mal im feinen Dreireiher oder sogar im Smoking. Just als Möbius sich bei Gertrud Schnütchen (Meike Meiners) als Witwentröster versucht, entdeckt er in der Zeitung was richtig Vielversprechendes: „Tochter aus reichem Hause sucht besseren Herrn zwecks Heirat“, heißt es dort in einer Annonce.
Im beigefarbenen Tropenanzug – die seute Deern hat eine Vorliebe für die Insel Sansibar – geht’s auf die Bank zum ersten Rendezvous, auf die Parkbank versteht sich. Siehe da: Die junge Lia, von Julia Kemp glaubhaft mit feschem Selbstbewusstsein verkörpert, hat es Möbius angetan wie umgekehrt er ihr. Erstmals hat der Hochstapler ehrenhafte Absichten. Eine Chance für die Liebe?
Davor indes stehen Lias Vater und ihre Mutter Maria, die ob der Heiratsanzeige ohnehin das Schlimmste, Betrüger an der Seite ihrer Tochter, befürchtet hat. Beate Kiupel gibt die Mama als Dame zwischen altmodischer Demut und persönlicher Neugier an der Seite des preußischen Patriarchen und Konzernchefs Lous Compaß. Konstantin Graudus spricht bei seinem Ohnsorg-Debüt in der Rolle als weit gereister Großkapitalist als Einziger für seinen Stand gemäß hochdeutsch. Bei ihm wird jeder Auftritt mit Zylinder und mit Sekretär (Marco Reimers) als lebendem Kleiderständer zum Ereignis. Brust raus, Augen über dem Kaiser-Wilhelm-Bart immer geradeaus, gelten seine Geschäftsgrundsätze auch in Sachen Zweisamkeit: „Eine moderne Ehe muss auf sachlicher Basis aufgebaut werden“, betont er. Getreu dem Grundsatz „Pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht.
Bähnk und Graudus Auge in Auge
Beim potenziellen Schwiegersohn Möbius stößt er damit auf offene Ohren. Und wenn sich Bähnk und Graudus, übrigens ehemalige Kollegen am Deutschen Schauspielhaus, in ihren starken Rollen auf der Ohnsorg-Bühne Auge in Auge, Nase an Nase und – mit Verlaub – Bauch an Bauch gegenüberstehen, ist das ein weiterer komischer Höhepunkt dieses Lustspiels im besten Sinne. Die stilvollen Kostüme und das schon beim ersten Vorhang mit dem obligatorischen Beifall bedachte Bühnenbild von Katrin Reimers schaffen den passenden Rahmen dieser Gauner-, Liebes- und Gesellschaftskomödie. Markus Gillich als Compaß’ Sohn Harry findet – wenn auch unstandesgemäß – im plietschen Dienstmädchen Aline (Lara-Maria Wichels) noch sein Glück. Auch Detektiv von Schmettau (Robert Eder), mit Melone ausstaffiert, hat nichts dagegen.
Regisseur Grupe sorgt mit seiner Schauspielerführung in der von Manfred Hinrichs ins Plattdeutsche übersetzten und von Murat Yeginer bearbeiteten Fassung dafür, dass man die Figuren schnell lieb gewinnt. Das alles trotz eines inzwischen ganz anderen Frauenbildes als in den 20er-Jahren, immer neuen Paarungsportalen im Internet und einer fast komplett globalisierten Gesellschaft. Aber wie sagt Graudus alias Compaß in einer aktuellen Anspielung auf dubiose Aktien-Deals am Ende: „Cum-Ex! Es lebe das Geschäft!“
„Hartenbreker – Ein besserer Herr“ wieder Mi 14.11, 19.30, bis 31.12., Ohnsorg (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 15,50 bis 33,50: T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de
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