Hamburg. Am Heidi-Kabel-Platz feierte „Plattdüütsch för Anfängers“ eine gelungene Uraufführung. Minutenlanger Schlussapplaus.

Die Themen, derer sich Autoren bedienen, liegen auch hierzulande oft auf der Straße. Schon im Herbst 2016, im Jahr nach der sogenannten Flüchtlingskrise, brachte das St. Pauli Theater „Willkommen – Ein deutscher Abend“ heraus, eine satirische Integrations-Revue von Franz Wittenbrink. Fast parallel dazu kam „Ostfriesisch für Anfänger“ ins Kino. Ein Film, in dem ein Eigenbrötler, gespielt vom Berliner Vorzeige-Greis Dieter Hallervorden („Honig im Kopf“, „Sein letztes Rennen“), Flüchtlingen Platt- statt Hochdeutsch beibringt. Kein großer Hit.

Der Hamburger Drehbuchautor Sönke Andresen hatte die Komödie primär für das Ohnsorg-Theater geschrieben. Am Heidi-Kabel-Platz stieß „Plattdüütsch för Anfängers“, so der Titel der Bühnenversion, bei der Uraufführung nun auf viel Gelächter. Die Besucher dankten es Ensemble und Regieteam mit minutenlangem Schlussapplaus.

Gespür für Situationskomik

Andresen und Regisseur Murat Yeginer haben mit Gespür für Situationskomik und Liebe zu den Figuren am Stück gefeilt. Entstanden ist eine Komödie mit nieder- und hochdeutschen Passagen sowie englischen Versatzstücken, die niemanden überfordert und in der es menschelt. Allen voran dank Frank Grupe: Er macht als alter Knacker Uwe Hinrichs eine glaubhafte Wandlung durch. Als Franchise-Nehmer der Dorf-Tankstelle von Nieder­hörn bietet er nicht nur das Schlemmer-Croissant „Provence“ an, als Witwer wirkt er zunächst selbst wie ein armes Würstchen.

Als dann noch vier Geflüchtete (zwei Frauen und zwei Männer) in dessen zwangsversteigertem Häuschen einquartiert werden, lädt er dort Gülle ab. „Du kannst doch nich wildfrömde Lüüd mit Gülle angriepen. Dat sind Flüchtlinge, ,Schutzbedürftige‘“, ereifert sich Pastorin Peters, von Beate Kiupel als christliche Kümmerin gekonnt überzeichnet. „Und wat is mit mi? Ik bün ok ,schutzbedürftig‘“, entgegnet Uwe.

Projekt für Flüchtlinge

Da es sich hier um ein vom Bund finanziertes Projekt für Flüchtlinge handelt, darf das Modell Niederhörn um keinen Preis scheitern. Da sind sich Projektleiterin Vera (zielorientiert: Meike Meiners) und Bürgermeister Dietmar Holthagen einig. Den gibt Stefan Leonhard als aalglatten Schein-Heiligen. Ein weiterer Unsympath vom Dienst ist ­Ulrich Bähnk als Kneipenwirt Fiete.

Und weil nicht etwa Pastoren-Mutti Peters, sondern Kauz Hinrichs – als Wiedergutmachung für den Gülle-Eklat – den vermeintlichen Deutschkursus übernehmen soll, wird der Integrationstest der vier Fremden zur Farce. An ihrem Lernwillen liegt’s nicht: „Moin!“ und manches mehr kommt ihnen meist fix über die Lippen. Orhan Müstak als vom syrischen Bürgerkrieg gepeinigter Familienvater Abdullelah ragt nicht nur darstellerisch heraus. Wie er einen Palstek knotet und das op Platt kommentiert, ist ein Brüller für sich.

Auch an Liebeleien wie einst im Ohnsorg fehlt es in dieser Integrations-Komödie nicht: Da kommen sich Vera und Dietmar auch privat näher, und Sandra Keck als Uwes Schwägerin Dörte büxt jetzt eben mit dem Nigerianer Sammy (Boubacar Dieme) nach Berlin aus, um dessen Rap-Karriere zu managen. Wie sagte ein Besucher trotz des etwas zu konstruiert wirkenden Endes: „Ein heikles Thema – das hätte auch anders ausgehen können.“ Hier aber gut. Mit Witz, Charme, sogar Tiefgang.

„Plattdüütsch för Anfängers“ bis 24.2., Ohnsorg, Karten 14,- bis 29,-: T. 35 08 03 21