Hamburg. Der 89 Jahre alte Dirigent wird bei seinem ersten Auftritt in der Elbphilharmonie gefeiert. Ein weiteres Konzert folgt am Sonntag.
War es die reine Wiedersehensfreude, nach einer Trennung mit Krach, Knall und Blessuren und acht Jahren ohneeinander? War es die Klarheit des Konzepts, war es der Respekt vor dem 89-Jährigen, die Überzeugungskraft guter Argumente – oder doch schon etwas, das sich im Bereich der berechtigten Tutti-Angst vor unbeschummelbaren Dirigenten-Ohren bewegte? Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem. Denn am Ende war es ein großer Abend für alle. Ein Konzert, das klarstellte, wofür es Dirigenten braucht und was die Guten von den sehr Guten unterscheidet.
Warum Christoph von Dohnányi in der Biografie des NDR-Orchesters neben dem Gründer Hans Schmidt-Isserstedt und dem Verewiger Günter Wand einen Ehrenplatz einnimmt, demonstrierte er in vertrauter Harmonie mit seinem Ex-Orchester und einer entspannt schnittigen Achten von Bruckner, bei der strukturelle Gestaltung vor bloßer Überwältigung ging.
Dohnányi legt sich Ideallinie zurecht
Das begann bereits mit dem Auftakt des Kopfsatzes; der kam so zielstrebig wie dezent. Von dort an durfte man ahnen, wie wenig im Ablauf der folgenden gut 80 Minuten noch ernsthaft schiefgehen könnte. Dohnányi hatte sich für dieses Stück als Thema seines späten Elbphilharmonie-Debüts eine Ideallinie zurechtgelegt, die auf Deutlichkeit ausgerichtet war. Analytische Tiefenschärfe legte dar, was von wem in dem Orchesterapparat zu passieren hatte. Der Bruckner, den Dohnányis Dirigat beschrieb, war oft geradezu cool, kein halt- und hemmungslos trudelnder Romantiker und erst recht kein dröhnend hadernder Choleriker.
Auf den weit ausholenden Motiv-Terrassen des Allegro-Satzes setzte Dohnányi deswegen auf Untertreibung; schöner und interessanter noch: Er ließ die Musiker auch mal großzügig vergessen, wer hier eigentlich die Zügel in der Hand hielt. Er ließ sich, wenig überraschend, von der detailenthüllenden Akustik des Großen Saals auch nicht dazu verführen, den Hörnern und Trompeten einen Freifahrtschein ins forsche Forte zu spendieren, weil das so schön Eindruck schindet. Im Gegenteil. Gerade diese Passagen waren rank und schlank, passgenau gestaffelt. Und sobald sich ein Satz seinem letzten Aufbäumen näherte, nahm sich Dohnányi die Zeit, diese Enden durch einen Gestaltungsakzent zu markieren, als wäre es die schwungvoll gesetzte Linie unter einer prägnanten Unterschrift.
Das Finale der prächtige Abschluss einer Versöhnungsfeier
Ein Konzert ganz auf den Punkt also? Das noch nicht ganz, es war der erste von drei Abenden und deswegen noch nicht der bestmögliche. Im Trio des zweiten Satzes ging es stellenweise leicht drunter und drüber in der Balance der Holzbläser-Stimmen. Das epische Adagio im dritten Satz hatte nicht nur die beabsichtigten Abgründe, sondern auch Längen und kleine Spannungsdellen. Dafür war das Finale ein prächtiger Abschluss dieser Versöhnungsfeier, die hoffentlich bald fortgesetzt wird.
Das Konzert wird am 30.9., 18 Uhr, wiederholt. Evtl. Restkarten an der Abendkasse