Hamburg. Der Direktor des wichtigsten Hamburger Museums ist als Chef der Potsdamer Schlösserstiftung im Gespräch.

Zwei Jahre in einem Haus sind für einen Museumsdirektor keine Ära, sie sind eher eine Karriere-Etappe zwischen zwei anderen Posten. Doch wenn eine Stiftungsratssitzung der Preußischen Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg (SPSG) am 1. November so ausgeht, wie es sich der Hamburger Kunsthallen-Direktor Christoph Martin Vogtherr offenbar für seinen weiteren Berufsweg erhofft, dann wäre er womöglich mehr oder weniger von jetzt auf gleich weg. Und Kultursenator Carsten Brosda hätte an einer prominenten Stelle der überregional nur ­bedingt prominenten Hamburger ­Museumsmeile ein überregional sichtbares Problem.

Vogtherr wäre dann weg aus dem wichtigsten Hamburger Museum. Hin zu einem der attraktivsten und einflussreichsten Führungsposten, den die ­Museumslandschaft der Hauptstadt mitsamt ­Umgebung zu bieten hat, mit mehr als 30 Museumsschlössern (darunter Perlen wie Sanssouci und ­Charlottenburg), 550 Mitarbeitern, 800 Hektar Parkanlagen und 100.000 Einzelkunstwerken; eine einzigartige Kulturlandschaft, die zum Unesco-Welterbe gehört. Keine einfache Aufgabe, eine komplexe Herausforderung, weil mehrere Bundesländer und der Bund selbst mitreden und mitfinanzieren.

Bis 2007 als Kurator bei der SPSG

Nach Informationen des Berliner „Tagesspiegels“ soll Vogtherr, der erst 2016 Hubertus Gaßners schwieriges Amt übernahm, nach 27 Anfangsbewerbungen einer von zwei finalen Kandidaten für die Nachfolge von Hartmut Dorgerloh sein, der wiederum an die Spitze des Berliner Humboldt-Forums wechselte. Gegenkandidat, so heißt es, sei Matthias Wemhoff, seit 2008 Direktor des Berliner Museums für Ur- und Frühgeschichte und gleichzeitig Berlins Landesarchäologe.

Für Vogtherr spricht, dass er von 1998 bis 2007 als Kurator bei der SPSG gearbeitet hatte, bis er zur Londoner Wallace Collection wechselte, von der er nach Hamburg kam. Wemhoffs aktuelles Plus: die Ausstellung „Bewegte Zeiten“ im Gropius-Bau, er ist eine lokale Instanz in Berlin und wohnt in Potsdam. Im dortigen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur wollte man gestern keinen der beiden Namen offiziell bestätigen, und überhaupt: laufendes Personalverfahren, man möge bitte Verständnis haben. Sollte am 1. November über die Kandidatenvorschläge der Findungskommission entschieden werden, bliebe noch vieles zu klären, unter anderem der Termin für den Amtsantritt.

Defizit in Millionenhöhe

Das Flaggschiff der Hamburg ­Museumslandschaft geriete durch Vogt­herrs Weggang in unschöne Schieflage, nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren. Die Gemengelage der Pro­bleme und Beweggründe ist komplex: Einerseits leidet dieses Haus aktuell unter einem Defizit in Millionenhöhe (offenbar auch ein Erbstück aus der Zeit der letzten Geschäftsführung) und sinkenden Besucherzahlen; andererseits ist der Posten in Berlin eine Prestige-Chance, die man tunlichst nicht ignoriert, weil etwas in dieser Gewichtsklasse sich so schnell wohl nicht wieder bieten dürfte. Für Ekkehard Nümann, den Vorsitzenden der Freunde der Kunsthalle, ist diese Situation bereits jetzt misslich: „Es wäre ausgesprochen schade, sein Weggang wäre ein großer Verlust für das Haus, das wäre katastrophal.“

Sollte Vogtherr Anfang November im Finale gegen Wemhoff unterliegen, wäre sein Standing nachhaltig beschädigt. Ginge Vogtherr (und das auch noch ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2019), müsste ein Interims-Direktor versuchen, die Kunsthalle mit den vorhandenen Bordmitteln auf Kurs zu halten. Diese Saison steht, für die nächste jedoch scheint derzeit fraglich, was und wie viel der Planung bereits in trockenen Tüchern ist.

Weiteres Dilemma

Ein weiteres Dilemma, das auf die Kulturbehörde bei der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin zukäme: Bereits bei der letzten Chef-Fahndung zog es sich bedenklich. Angeblich soll Vogtherr erst durch eine Akquise der damaligen Kultursenatorin Barbara Kisseler auf die Kandidatenliste gekommen sein, also nicht durch Eigeninitiative.

Und angesichts der chronisch kniffligen Finanzlage der Kunsthalle (da sind die gern schwelenden strukturellen Machtspiele zwischen den Chefs auf Zeit und ihren quasi verbeamteten ­Kuratoren nicht mitgerechnet) liegt die Vermutung nahe, dass national oder gar international renommierte Top-Kandidaten sich nicht bis auf Blut um diesen Posten am Glockengießerwall schlagen werden. Auch Nümann warnt im Hinblick auf die nächsten möglichen Entwicklungen: „Für wen wäre es überhaupt noch attraktiv, sich für die Leitung der Kunsthalle zu bewerben?“

Exklusive Führung: Christoph Martin Vogtherr und Brigitte Macron, Gattin des französischen Präsidenten, Anfang Juli 2017, während in Hamburg der G-20-Gipfel tagte.
Exklusive Führung: Christoph Martin Vogtherr und Brigitte Macron, Gattin des französischen Präsidenten, Anfang Juli 2017, während in Hamburg der G-20-Gipfel tagte. © Romanus Fuhrmann

Vogtherr selbst war gestern auf Reisen und für Statements nicht zu erreichen; Kunsthallen-Pressesprecherin ­Mira Forte bat um Verständnis dafür, dass das Haus keine Stellungnahme ­abgibt. Die Kulturbehörde wollte sich zu den Fragen, die sich aus den Wechselgerüchten ergeben, nicht äußern. Behördensprecher Enno Isermann erklärte: „Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ist ein besonders herausgehobener Job im deutschen Kulturleben.

Dass Christoph Martin Vogtherr für diese Position in die engere Auswahl gekommen ist, zeigt, was für einen guten Ruf er sich auch als Direktor der Kunsthalle ­erworben hat. Hier­über und auch über die Zukunft der Kunsthalle befindet sich Herr Vogtherr mit dem Kultursenator und der Kulturbehörde im vertrauensvollen Austausch.“ Was man so sagt, wenn man Wochen vor einer Entscheidung nichts akut Eindeutiges sagen kann und gleichzeitig nichts nachhaltig Falsches sagen möchte.