Hamburg. Beim Konzert im Kleinen Saal fehlten Hintergrundinfos. Für die Besucher blieb ein gemischter Gesamteindruck.
Die Gottesmutter Maria steht am Kreuz. Sie beweint die Schmerzen und den Tod ihres gemarterten Sohnes Jesus. Von diesem herzzerreißenden Bild der Passionsgeschichte erzählt das mittelalterliche Gedicht Stabat Mater, das schon viele Komponisten inspiriert hat, auch den italienischen Wahlspanier Luigi Boccherini. Seine Vertonung – eher selten aufgeführt und jetzt im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zu erleben – schlägt einen ganz eigenen Weg ein. Das rund 45 Minuten umfassende Werk für Sopran und Streicher verbindet einen intimen Klageton mit kantablen Melodien, aber auch einer höfischen Eleganz, wie man sie beim Stabat Mater nicht unbedingt erwarten würde.
Da ist genau jener vokale Feinsinn gefragt, mit dem Nuria Rial ihre Interpretationen beatmet. Die katalanische Sopranistin singt einerseits so schlank, so sauber und rein, wie es nicht bloß die Musik des 18. Jahrhunderts allgemein, sondern auch die keusche Aura der Jungfrau Maria nahelegt. Sie verbindet diese Klarheit aber andererseits mit einer Wärme und einer Geschmeidigkeit, die ihr Timbre perfekt mit dem Klang des Kammerorchesters le phénix und dessen historischen Instrumenten verschmelzen lässt.
Zauberhafte Momente
So formt Rial mit den elf Streichern einige zauberhafte Momente. Im fünften Satz, Pro peccatis suae gentis, dessen süßer Gesang aus einem Liebeslied ausgeborgt sein könnte, und im Virgo virginum praeclara, einem serenadenhaften Andantino mit gedämpften Streichersounds, das am Ende noch einmal als Zugabe erklingt.
Gern hätte man da kurz mal nachgelesen, warum Boccherini die Reflexion über das tiefe Mitleid der Mutter in solche Ohrwürmer und teilweise fast schon beschwingten Töne kleidet. Aber der dürre Programmzettel beschränkte sich auf die lateinischen Anfangszeilen der einzelnen Sätze. Keine inhaltliche Einführung zum Werk, nicht einmal eine Übersetzung, was es schwer machte, einen Bezug zwischen Text und Musik herzustellen. Das wirkte dann doch etwas halbherzig, ebenso wie das Bemühen des Orchesters, das Programm mit zwei vorangestellten Divertimento-Sätzen von Boccherini gerade so auf Konzertlänge zu dehnen. Deshalb nahmen die Besucher einen mit nach Hause. Ein schönes Stück schön zu musizieren, ist noch nicht die ganze Miete. Um die Botschaft der Musik zu vermitteln, darf es gern ein bisschen mehr sein.