Hamburg. Das Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters unter dem Gastdirigenten Krzysztof Urbanski überzeugte mit Raffinesse.
Die Ouvertüre zur „Zauberflöte“ klingt federleicht, zum Mitsingen. Denkt man. Dabei ist das Stück eine typische Mozart-Falle. Das NDR Elbphilharmonie Orchester hat sich davon allerdings bei seinem ersten regulären Konzert der Saison nichts anmerken lassen. Das ganze Orchester platzierte die winzigen Auftakte zu Akkord Nummer zwei und drei wie aus einem Guss, alle ersten Geigen spürten den richtigen Zeitpunkt für den fallenden Seufzer gleichzeitig, und der rasante Allegro-Einsatz der zweiten Geigen, der allein schon Stoff für Musiker-Albträume ist, gelang nadelspitz.
Das klingt nach dem kleinen Einmaleins der Orchestertugenden und geht doch weit darüber hinaus. Unter ihrem Ersten Gastdirigenten Krzysztof Urbanski servierten die Musiker das Stück nicht nur souverän wie auf dem Silbertablett. Sie gaben auch gleichsam eine Absichtserklärung ab: Drunter machen wir es nicht mehr. „Drunter“ ist künftig ganz schön viel Platz, denn die Latte liegt jetzt beeindruckend hoch. Klanglich sowieso, bei einem so schlanken, flexiblen Mozart-Ton, so perlenden Parallelgängen von Flöte und Fagott, einer solchen Süße der Klarinettenläufe. Am wichtigsten aber war die Fallhöhe der Botschaft, das Ineinander von Witz und Abgründigkeit.
Jähe Stille, zögernd einsetzender Applaus, anwachsender Beifall
Die hörbare innere Beteiligung oder, pathetischer, das Herzblut war es, was diesen Abend so besonders machte. Nun hat das Orchester diese Spielzeit einen Artist in Residence, der für die Radikalität des Ausdrucks steht wie wenige andere. Nicolas Altstaedt setzte sich als Solist des Cellokonzerts von Witold Lutoslawski aus dem Jahre 1970 der Partitur so schutzlos aus, wie sich das der Komponist einst gedacht haben muss. Der Einzelne tritt einem Kollektiv gegenüber, darin liegt per se ein Ungleichgewicht.
Altstaedt stellte sich unablässig wiederholende einzelne Töne gegen jähe Ausbrüche. Wie eine menschliche Stimme klangen die, hochemotional und verletzlich, bis ihm plötzlich ein Trompetenakzent ins Wort fiel und allein mit der Klangfarbe im Kopf des Hörers die ganze Brutalität einer Diktatur wachrief. Und bei diesem einen erschütternden Moment sollte es nicht bleiben. Lutoslawski fühlte dem grausamen Konflikt durch alle Stadien hindurch nach, ob in der „Cantilena“ die Geigen das Cello umschmeichelten oder im Schlusssatz Blech und Schlagwerk die Gewehrsalven prasseln ließen. Das letzte Wort hatte nicht das gleißende Tutti, sondern das Cello mit einem gequälten Aufschrei. Jähe Stille, zögernd einsetzender Applaus, anwachsender Beifall und nach einer ganzen Weile als Zugabe ein echter Altstaedt: Mit dem Solocellisten Andreas Grünkorn spielte er einen Satz für zwei Celli von Jean-Baptiste Barrière. Reinstes französisches Barock, galant verziert, und das in innigstem Zusammenspiel.
Letzte Fragen verhandelten die Künstler auch nach der Pause in Tschaikowskys Vierter. Urbanski formte sprechende Details und entfesselte Blechgewitter. Frei und drucklos strömte der Orchesterklang, besonders die Holzbläser leuchteten in warmen Farben. Und im letzten Satz zeigte Urbanski mal wieder, dass er auch Tschingderassabumm kann. Man hätte es fast vergessen bei all der Raffinesse.
Das Konzert wird am Sonntag wiederholt. Es ist ausverkauft.