Hamburg. Sie spielt ihre erste große Theaterrolle in Hamburg. Als Botschafterin fürs Plattdeutsche weiß sie, wovon sie spricht.
Solch ein Probentag, noch dazu in diesem heißen Sommer, kann ganz schön anstrengend sein. „Ich brauch jetzt erst mal einen Kaffee“, sagt Sabine Kaack, als sie sich an den kleinen Tisch setzt. Dazu ein Glas Mineralwasser – ohne Kohlensäure, wie bei Schauspielprofis üblich. „Still“ heißt das ja auf den Wasserflaschen – indes sprudelt es förmlich aus der großen blonden Frau heraus, bei deren Namen allen über 40 sogleich „Diese Drombuschs“ in den Sinn kommen.
In der ZDF-Kultserie gelang Sabine Kaack in den 80er-Jahren der Durchbruch zum Fernsehstar, regelmäßig sahen sie 20 Millionen oder noch mehr Zuschauer. Ein Jahrzehnt, fünf Staffeln und 33 Folgen lang verkörperte sie die Rolle der selbstbewussten, ja rebellisch-rockigen Tochter Marion an der Seite ihrer noch populäreren Fernsehmutter Witta Pohl. Dann wurde Sabine Kaack im realen Leben schwanger und stieg aus der Serie aus. Ihr Sohn ist heute 25.
Wahre Geschichte
Das soll hier und heute im seitlichen Foyer am Heid-Kabel-Platz aber gar nicht das Thema sein; Sabine Kaack bereitet sich auf ihre erste große Rolle im Ohnsorg-Theater vor. Am Sonntag, dem 26. August, hat sie Premiere in „Kalenner-Deerns“. An der Seite von langjährigen Ensemble-Mitgliedern wie Beate Kiupel, Meike Meiners oder Sandra Keck spielt sie die „Tine“, eine von sechs Freundinnen in den besten und allerbesten Jahren, die sich ausziehen, um mit einem ungewöhnlichen Kalender Geld für Krankenhaus-Mobiliar zu sammeln.
Die plattdeutsche Stückfassung basiert auf dem englischen Kino-Hit „Kalender Girls“ von 2003, der seinerseits auf einer (wahren) Geschichte fußte. Harald Weiler inszeniert sie – mit Figuren, „mit denen man sich sehr gut identifizieren kann“, meint Kaack.
Kaack bleibt zumeist im Hochdeutschen
„Mein lieber Scholli“, entfährt es ihr beim Gedanken an das komplexe Ensemble-Stück. Allenfalls vor dem Aus- und Umziehen mitsamt der Feinabstimmung von Licht und Technik ist Sabine Kaack bange, nicht aber vor dem Theaterspielen geschweige denn vor der Sprache. Die Schauspielerin, die Mitte der 80er zusätzlich zu den „Drombuschs“ in der quotenträchtigen ZDF-Vorabend-Krimiserie „SOKO 5113“ in München als Kriminalmeisterin Bärbel Mattner ihrer Motorrad-Leidenschaft frönte, ist nach 22 Jahren in Berlin 2013 in ihre Heimatstadt Nortorf nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt. Oder sollte man sagen nach „Noorddörp“, wie die Stadt im Kreis Rendsburg-Eckernförde op Platt heißt?
Sabine Kaack bleibt – höflich, wie sie bei aller Redseligkeit ist – beim Gespräch im Ohnsorg-Foyer zumeist im Hochdeutschen. Dabei ist sie seit zwei Jahren offizielle Botschafterin des niederdeutschen Theaters als nationales immaterielles Kulturerbe der Unesco, ernannt vom Niederdeutschen Bühnenbund Schleswig-Holstein e. V...
„Viele tolle Schriftsteller“
Ehrenamtlich unterstützt sie die niederdeutschen Bühnen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern und engagiert sich fürs Plattdeutsche. Erst im Juni zeichnete Sabine Kaack im Freilichtmuseum Molfsee (bei Kiel) den Hamburger Kabarettisten Detlef Wutschik, besser gesagt dessen Klappmaulpuppe Werner Momsen, als zweiten Botschafter des niederdeutschen Theaters aus. Eine Gala der beiden (oder: der drei) am 8. September im Kieler Schloss ist bereits ausverkauft. Warum nicht mal gemeinsam was im Ohnsorg machen, sinniert sie am Tisch.
„Das Plattdeutsche hat eine große eigene Kultur und viele tolle Schriftsteller“, sagt Kaack. „Es ist eine großartige Sprache, viel mehr als ein Dialekt. Das sollten wir auch an die Schulen transportieren. Kinder sind da wichtig, sie können die Sprache lebendig halten.“
Treffen mit Helga Feddersen
Die Schauspielerin selbst hat plattdeutsche Texte und Dialoge, illustriert mit Bildern des Künstlers Klaus Fußmann, als Buch und Hörbuch „Över‘t Land in Schleswig-Holstein“ (Wachholtz Verlag) herausgebracht. Mit „Över’t Land“ tourt die Kaack auch durch den Norden, es ist eine Art Literaturkonzert. Den Begleitmusiker Ben Heuer, Dritter der Weltmeisterschaften im Mundharmonikaspielen, hatte ihr übrigens Holger Hübner empfohlen – einer der beiden Gründer des Wacken Open Air. Sabine Kaack ist, mit Verlaub, auch eine alte Rocker-Braut, obwohl man ihr das nicht ansieht. 60 Jahre ist die Schauspielerin in diesem Februar geworden. Sie steckt voller Tatendrang und sieht in ihren vielen TV-Erfolgen mehr Segen als Fluch.
Als 14-Jährige hatte Sabine im zwei Kilometer von Nortorf entfernten Ellerdorf die legendäre Schauspielerin Helga Feddersen kennengelernt. Sie brachte Kaack Klassiker wie „Romeo und Julia“, Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ oder Kleists „Der zerbrochene Krug“ nahe, ermunterte sie, die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg anzugehen. Nach der mittleren Reife im Alter von 16 Jahren bestand Sabine die Prüfung und war mit 17 als jüngste Studentin eingetragen. Schon mit 19 Jahren hatte sie ihr Schauspiel-Diplom in der Tasche – früh bühnenreif also.
Freundschaft und Frauensolidarität
Sie spielte im Hamburger Kinder und Jugendtheater Klecks in Lehr- und Aufklärungsstücken mit Rockmusik und mit Jan Fedder, mit dem sie auch in einem Haus wohnte. Und womöglich hätte Sabine Kaack statt einer Fernseh- eine Theaterkarriere machen können; ihr erstes Engagement führte sie an die Freie Volksbühne zu Kurt Hübner.
Später, nach den ersten Serienerfolgen in den 80ern, habe der große Theatermacher Peter Stein ihr nur gesagt: „Ich kann dich nicht besetzen, das sprengt mir das Ensemble ...“ So wurde es, nach Filmen mit Dominik Graf („Die Katze“) oder für „Bang Boom Bang“, Boulevard statt Berliner Schaubühne.
Jetzt aber Ohnsorg. Das aktuelle Theaterstück behandelt eindringlich und humorvoll Themen wie Jugendwahn, Freundschaft und Frauensolidarität. Als Christine alias „Tine“ ist Sabine Kaack die treibende Kraft für das Kalender-Projekt. Das passt zu ihrer Ausstrahlung, zu ihrer Persönlichkeit.
Sie selbst hat noch einiges vor, auch nach der Zeit am Heidi-Kabel-Platz. Die Volksschauspielerin übrigens habe sie als Teenager ebenso verehrt wie den kauzig-knorrigen Henry Vahl, erzählt sie. So schließt sich nun der Kreis. Sabine Kaack könnte noch viel plaudern, von gestern, heute, morgen, muss aber wieder in die Garderobe. Die Abendprobe steht bevor. Wat mutt, dat mutt.
„Kalenner-Deerns“ Premiere So 26.8., 19.30, bis 29.9., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 15,50 bis 31,- unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de