Hamburg. Die plattdeutsche Erstaufführung von „Hallo, Dolly“ wird am Heidi-Kabel-Platz mit „Zugabe, Zugabe!“-Rufen gefeiert.

Der Beifall wollte kein Ende nehmen, fast alle Besucher hatten sich von ihren Sitzen erhoben, mehrmals hatte sich der rote Vorhang geöffnet und wieder geschlossen, da ertönten aus den vorderen Reihen sogar „Zugabe, Zugabe!“-Rufe. Das aber blieb das Einzige, was das Ensemble den Zuschauern am späten Sonntagabend im Ohnsorg-Theater nicht bieten konnte – es war schließlich kein Konzert, sondern die plattdeutsche Erstaufführung des Musical-Klassikers „Hello, Dolly“.

Eine feine Zugabe lieferte stattdessen bei der Premierenfeier Intendant Michael Lang auf dem Platz vor der Treppe im ersten Stock, indem er jeden der auf und hinter der Bühne an „Hallo, Dolly!“ beteiligten fast 25 Künstler persönlich würdigte. Jeweils eingeleitet mit „Hallo ...“ und ergänzt um den Vornamen reichte die Ansprache von Mitgliedern des zusätzlich engagierten sechsköpfigen Tanz- und Gesangsensembles bis zum Regisseur Frank Thannhäuser.

Kostüme gefeiert

Der hatte nach dem Öffnen des Vorhangs für seine Arbeit an den nostalgischen Kostümen den ersten Applaus eingeheimst, der im Ohnsorg oft Bühnenbildnerin Katrin Reimers und ihrem Werk gilt. Die sich wandelnde Kulisse nimmt die 17 Darsteller und das Publikum mit auf die Straßen Alt-Hamburgs, in einen Kaufmannsladen nach Soltau, in einen hanseatischen Hutladen und ins Nobellokal Harmonia Goorn (Hammonia Garten) mit Separees.

An diesen Orten hat das Übersetzer-Duo Hartmut Cyriacks und Peter Nissen, „Sprachrohr der niederdeutschen Kultur“ (Ohnsorg-Intendant Lang), die im Original im Großraum New York spielende Handlung nun angesiedelt und bildhaft neu geschrieben. Die lebenslustige verwitwete Heiratsvermittlerin Dolly heißt statt mit Nachnamen Levi hier Meyer und beschreibt ihren Job op Platt treffend so: „De een, de maalt, de anner klöppelt ... un ik snack Lüüd tohoop.“

Frau des Frohsinns

Und die Menschen zusammenbringen, das gelingt Ohnsorg-Publikums­liebling Sandra Keck in der Titelrolle bestens. Was in der Verfilmung des 1964 am Broadway uraufgeführten Musical-Welterfolgs die unverwechselbare Barbra Streisand war, ist für die norddeutsche Vorzeigebühne die Keck: eine Frau des Frohsinns und eine Bank – auf der sie als Dolly auch tanzt. Ob in grünem Taft, roter Robe oder weißem Hochzeitskleid, die Schauspielerin glänzt mit komischem Hintersinn und Gesang.

Jedoch ist „Hallo, Dolly“ weit mehr als eine One-Woman-Show. Kecks Dolly hat für ihren Klienten Roland van der Gelder zwei Treffen mit Damen der Hamburger Gesellschaft arrangiert, hat insgeheim aber selbst ein Auge auf den Futtermittelhändler aus Soltau geworfen. Till Huster gibt ihn als knorrigen und geizigen Griesgram mit grauen Abraham-Lincoln-Gedächtnis-Koteletten, seine darstellerischen Qualitäten stehen über den gesanglichen.

Dickes Ding in Sachen Liebe

Beate Kiupel spielt als Heiratskandidatin Ernestine Godegeld mit Verve die üppig Überkandidelte, gewinnt indes ebenso wenig das Herz van der Gelders wie die Hutladen-Besitzerin Irene Möller. Christin Deuker entpuppt sich in dieser Rolle als echtes Gesangstalent, Gleiches gilt für Christian Richard Bauer als ihr smarter Verehrer Cornelius Hackel. Dessen Versteckspiel mit seinem Trottel von Kollegen Barnabas Wacker (Markus Gillich) vor ihrem Chef van der Gelder unterm Tisch respektive im Schrank ist reichlich albern, jedoch bahnt sich hier dank Verkäuferin Minna (Tanja Bahmani) mit Barnabas ein weiteres dickes Ding in Sachen Liebe an. Das Lied „Bunte Bänner an’n Hoot“ („Ribbons Down My Back“) macht aus dieser Komik erst Kunst. Cyriacks und Nissen haben auch 15 Originalsongs ins Plattdeutsche übertragen, der Musikalische Leiter Stefan Hiller hat sie so flüssig arrangiert wie Thannhäuser insbesondere den zweiten Akt inszeniert hat.

Die Szenen gleiten ineinander über. Und wenn die Mitglieder des famosen sechsköpfigen Ensembles im Nobel-Restaurants Harmonia Goorn als Kellner antanzen und die Speisen komisch akrobatisch servieren, ist der Boden für den großen Auftritt bereitet: Die Hauptfigur erscheint, der Titelsong „Hallo, Dolly“ erklingt, Sandra Keck singt, nein alles singt und tanzt. Das ist dann nicht nur eine Kostümschlacht, sondern ganz großes Musical auf recht kleiner Bühne.

Bis es dazu kommen konnte, wurde das Publikum auf die Folter gespannt: Vor der Premiere sprach der Vorsitzende der Stiftung zur Förderung des Ohnsorg-Theaters, Christian Breitzke, und zeichnete Oberspielleiter Frank Grupe mit der Ohnsorg-Verdienstmedaille aus. Der 65-Jährige, der im Juli nach 21 Jahren am Haus in Rente geht, war perplex und gerührt, wusste aber, was sich gehört: Grupe bedankte sich nur kurz – im ­Sinne der wartenden Schauspieler.

„Hallo, Dolly!“ bis 8.7., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz, Karten zu 16,50 bis 32;-: T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de

Stimmen aus dem Publikum:

Gerda Jammer aus Öjendorf: „Ein wunderbares, sehr schönes Stück, auch hervorragend ins Plattdeutsche übertragen. Sandra Keck spielt, singt und tanzt wunderbar. Und die Kostüme und Bühnenbild sind auch klasse.“

Andreas Bierkamp aus Altona-Nord: „Das Stück ist old fa­shioned und großartig. Es versucht nicht, etwas anderes zu sein. Opulente Ausstattung, tolle Ideen, hervorragend umgesetzt.“